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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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lange dauern konnte, bis er sich öffnete und seine Deckung fallen ließ.
    In der Zwischenzeit veranstalteten sie ein Kostümfest nach dem anderen. Sie mimte die Devote und er machte den Dominanten. Mal schlüpfte sie in die Rolle des Schulmädchens, einer Stewardess, Tennisspielerin, Sekretärin oder der Haushaltshilfe. Jeden Tag bemühte er sich, neue Requisiten einzubringen, allerdings lief jedes Szenario gleich ab. Ob sie die Sekretärin mimte oder die Politesse war, sie machte einen Fehler, woraufhin er sie erst züchtigte und anschließend hart rannahm. Sie machten stets mehrere Stellungen durch, doch war die Hündchenstellung sein klarer Favorit. Während sie es taten, durfte sie ihre Verkleidung nie ganz ausziehen, wohl um die Illusion nicht zu gefährden.
    Das Beste an den ausschweifenden Kostümfesten war, dass sie die Öffentlichkeit mieden und er sie nicht wieder ins Restaurant schleppte. Seit dem ersten Date hatte sie in der Angst gelebt, er könnte auf die wahnwitzige Idee kommen, sie ins Theater, die Oper oder ein Konzert einzuladen. Fürs Kino wäre sie natürlich immer zu haben gewesen, doch war das eine utopische Vorstellung.
    Seine Spiele waren ungewollt komisch, er dachte wirklich, er stehe in der Nahrungskette über ihr. Er liebte es, ihr beispielsweise den Hintern zu hauen, sie richtig übers Knie zu legen und sie währenddessen auszuschimpfen. Irgendwie verspürte der Kerl den gestörten Drang, ständig Dominanz zu zeigen. Seine Auftritte mit der Reitgerte gehörten hierbei zu den lächerlichsten Versuchen.
    Es war zu köstlich, billige Pornofilme nachzuspielen und einen ausgelutschten Spruch nach dem anderen zu hören und von sich zu geben. Es erforderte ihr ganzes schauspielerisches Können und eine gehörige Portion Selbstdisziplin und manchmal fand sie es richtig schwierig, passend zu antworten und zu reagieren.
    Wenn er sich in eine Rolle vertiefte, durfte sie ihn nur noch mit der entsprechenden Anrede ansprechen. Steinmetz schlüpfte nur in beruflich oder gesellschaftlich angesehene Berufe wie Kapitän, Polizist, General und — wie auch sonst — Doktor.
    Als sie ihn einmal gebeten hatte, etwas verwegenes anzuziehen, ein Rockeroutfit vielleicht, hatte er richtig giftig reagiert. Der Mann hatte riesige Minderwertigkeitskomplexe. Aus diesem Grund war es ihm auch nicht möglich, über sich selbst zu lachen. Verdammt, dafür würden sie und Dennis um so mehr lachen, vorausgesetzt das Ende stimmte und sie erhielt einen angemessenen Lohn für all die Strapazen. Leider kam das Ende anders als gedacht.

IX
    Sie waren im Begriff, ein neues Kostüm einzuweihen. Dieses Mal war er der Tierarzt — gähn — und sie steckte in einem Hasenkostüm. Im Grunde genommen trug er seine Arbeitskleidung, weißen Kittel, weiße Hosen und weißes Hemd. Ansonsten hing bloß noch ein Stethoskop um seinen Hals.
    Es war abgemacht, dass sie, das kleine Häschen, ihn in seiner Tierarztpraxis aufsuchen würde. Maries Kostüm war einfach fabelhaft. Als sie sich im Spiegel begutachtete, schüttelte sie sich vor Lachen. Es war ein richtig professionell hergestelltes Kostüm und nicht so ein doofes nach Vorlage des Playboys. Nein, ihr Kostüm war ein hellbrauner Vollkörperanzug mit Ohren, die den Kopf hinunterhingen und welche auf und ab hüpften, wenn sie hopste. Am Hinterteil war eine schöne Blume befestigt — so nannte man den Hasenschwanz — und darunter, im Schritt, befand sich ein eigens eingearbeiteter Reißverschluss. Der gesamte Anzug war aus weichem Plüsch gefertigt, der ihrer Haut schmeichelte.
    Sie setzte Make Up auf, zog Striche als Tasthaare und setzte einen pinken Punkt auf ihre Nase. Wieso konnte das Arschloch nicht auch ein Hasenkostüm anziehen? Oder wenigstens ein Wolfs– oder Hundekostüm? Verdammt, Tierärzte waren alles andere als männlich. Scheiß Komplexe, dachte sie und ging zum Wohnzimmer. Die Rollläden waren bereits geschlossen, damit kein Nachbar Einblick in die absurde Welt des Doktor Steinmetz erhalten konnte.
    Menschen versteckten dauernd ihre wahre Natur, anstatt sich einfach zu outen. So gesehen fand das eigentliche Kostümfest draußen in der Öffentlichkeit statt. Es war grotesk, riss man einem Menschen all die Kostüme vom Leib, mit denen er verwachsen war, kam ein wimmernder, nackter Wurm zum Vorschein. Krönung der Schöpfung? Das sie nicht lachte.
    Sicherlich hatte er wieder vor, ihr durch das ganze Haus hinterherzulaufen. Marie blieb an der Tür stehen und unterdrückte ein

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