Totgeburt
mit den Vorbereitungen weitermachen konnte. Mit seinen Händen ging sie dann weniger zimperlich um, ihre Fingernägel schnitten tiefe Furchen in das Fleisch.
Zuletzt entnahm sie sich etwas Blut mit einer Spritze, setzte die Nadel an seinem Herzen an und leerte den Inhalt darin aus — wie hatte sie nur so lange verbergen können, dass sie ein Monster war?
***
Der Nebel war verflogen, stattdessen schoss wahnsinniger Schmerz durch seinen Körper. Das Blut schien zu kochen, aber der Siedepunkt war noch nicht erreicht. Denn kaum glaubte er am Höhepunkt zu sein, dem Punkt, an dem der Schmerz unmöglich noch übertroffen werden könnte, stieg der Pegel wieder ein wenig weiter an. Stück für Stück näherte Sebastian sich dem letzten Gipfel, dem Punkt ohne Wiederkehr.
Ihr Blut war das Gift, das ihn von innen heraus verbrannte. Das Gift war der Grund, wieso er wie Schlachtvieh blutete. Unwissend trieb das Herz die kochende Brühe an, pumpte sie in jeden Winkel seines Körpers. Wie lange noch bis das Herz platzte oder die Adern bersten würden?
Ungeordnet schlugen Lichtblitze ein. Sie hinterließen bizarre Muster aus grellen Farben, gefolgt von einem Dröhnen wie Donner. Wirrer Unsinn, der leider allzu wirklich war.
Wie ein Wurm wand er sich und wimmerte vor sich hin. Er rief um Hilfe, so laut er konnte, aber niemand hörte ihn, denn der Laut, der aus seinem Mund kam, war unartikulierter Brei, nicht mehr. Schuld daran war der Knebel, der tief in seinen Mund ragte und die Zunge daran hinderte Worte zu bilden. Er ließ ihn nicht schreien und dämpfte jeden Versuch, auf sich aufmerksam zu machen.
Er würde hier unten sterben, während keine zehn Meter um ihn herum Menschen lebten. Sie hockten in den Wohnungen über ihm, schlenderten durch die Flure und streiften die Straße entlang. Dumpf gingen sie ihrem Alltag nach, hatten keine Ahnung, was da unten im Keller vor sich ging.
Strenggenommen war er ja nicht alleine, die Videokamera zeichnete alles auf, sendete die Bilder live an sie weiter. Still und Leise verpasste sie keinen Moment der Tortur. Sie mochte Filme und sie führte gerne Regie, wie er jetzt wusste.
Sie? Wer war sie überhaupt?
Sie wusste, dass er sterben würde. Sie wollte es. Sie hatte ihn hergebracht, ihn ausgezogen und gefoltert. Wo war die Heilung? Dabei hatte sie versprochen, dass er leben würde! Doch das Wort eines Monsters zählte in dieser Welt nichts. Nach dem neuen, dem besseren Leben, wie sie es nannte, sah es nicht aus. Alles leere Versprechungen. Er würde jämmerlich verrecken, hier unten im Keller.
Die bizarren Muster aus Licht waren verschwunden und an deren Stelle das Gesicht des Monsters getreten. Blaue Augen funkelten ihn an, brannten sich in seinen Sehnerv ein, ihr blondes Haar strahlte blendend schön wie das Antlitz der Sonne, während der donnernde Schmerz weiterhin durch seinen Schädel dröhnte. Er hasste sie, für was sie ihm antat. Er wollte ihr Gesicht zerkratzen, das Haar ausreißen und ihr die Augen ausstechen. Diese Hure!
Sie lächelte.
Ihm wurde klar, dass er die Kontrolle erringen musste. Wenn er nicht bald etwas unternahm, dann würde es zu spät sein, dann wäre er verloren. Er musste etwas tun, egal was, aber ihm waren die Hände gebunden. Nur sein Kopf war frei von den Fesseln. Ausweglos.
Verzweifelt hob er den Kopf hoch, ganz langsam, und ließ ihn dann wieder fallen. Buff, kam ein dumpfer Ton hervor. Unbedeutend wie sein Tun erschien, verschaffte es ihm ein wenig Genugtuung. Er konnte in dieser Hölle etwas bewegen. Erneut hob er den Kopf und ließ ihn gegen den Boden krachen mit viel Wucht dieses Mal.
Etwas war passiert. Bei dem Aufprall hatte das Bild des Teufels vor seinen Augen kurz geflimmert und an schärfe verloren. Was er tat, erkannte er, war gar nicht bedeutungslos. Also machte er weiter.
Nach unzähligen Wiederholungen wich das Lächeln aus ihrem Gesicht und die Lippen formten eine harte Linie. Das machte Mut und er fuhr fort. Nun arbeitete er im Takt, Kopf hoch, Kopf runter, immer so weiter. Allmählich wurde es dumpf in seinem Schädel und ihre Fratze verschwand aus seinem Kopf.
Die Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt. Er versuchte die Fesseln zu zerreißen. Sie schnitten in seine Gelenke, die Haut platzte auf, das Fleisch gab nach, der Kunststoff jedoch nicht.
Ein Seil führte von einem Haken, der an der Decke befestigt war, hinunter zu seinen Füßen. Das Seil reichte nicht bis zum Boden hinunter, weswegen seine Beine in der Luft
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