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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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hingen, fast wie bei einem Schwein am Spieß. Er versuchte die Fußfesseln zu zerreißen mit demselben Ergebnis wie bei den Händen. Das Blut, das aus den Füßen quellte, lief die Beine hinunter, es lief bis zu seinem Glied und dann zum Gesäß, von wo es schließlich Tropfen um Tropfen zu Boden plätscherte. Kalter, trockener Beton saugte seinen Saft gierig auf.
    Er zerrte am Seil, aber der Haken blieb in der Decke stecken und mit jedem Tropfen, der aus seinem Körper leckte, wurde er zusehends schwächer. Trotzdem versuchte er es immer und immer wieder.
    Nach zahllosen Versuchen musste er eine Pause machen.
    Er sammelte seine Kräfte und zog ein letztes Mal, so fest er irgendwie konnte. Da geschah das Unmögliche, der Haken riss aus der Decke und seine Beine knallten schmerzhaft auf dem harten Untergrund auf.
    Seine Energie war nun gänzlich aufgebraucht. Dabei sollten all die Anstrengungen erst der Anfang gewesen sein, wollte er es noch aus dem Keller schaffen. Jetzt musste er noch seine Hände befreien oder zumindest auf die Beine gelangen, um die Tür zu erreichen. Die Tür würde ihn in die Freiheit führen, so hoffte er. Einmal draußen würde ihm jemand helfen. Genau, er musste nur den Knebel aus dem Mund reißen!
    Er drehte sich auf den Bauch und schaffte sich auf die Knie. Wieder machte er eine kleine Pause, um nach Luft zu schnappen. Plötzlich wurde ihm schwindelig und beim Versuch von den Knien auf die Füße zu kommen, fiel er schließlich hin. Er sah ein, dass er ans Ende gekommen war. Er würde es nicht schaffen.
    Ab nun würde es ungemütlich werden. Sein Gesicht drückte gegen den kalten Boden, seine Nase knickte zur Seite ab und der Kopf lag in einer Pfütze aus Blut. Langsam drang das Blut der Pfütze in seine Nasenlöcher ein — als ob es in seinen Körper zurückfließen wollte.
    Seine Augen waren geschlossen, um sie vor der klebrigen Flüssigkeit zu schützen und es klebte überall! Es klebte in seinem Haar, dem Mund, den Ohren und es verklebte die Augenlider. Sogar die Luft, die er atmete, war vom Gestank seines Blutes durchsetzt — schwer wie Eisen hing es in seinen Atemwegen.
    Es war zu viel. Es war einfach falsch. Sein Mageninhalt schoss nach oben. Viel war es nicht, an für sich nur Säure. Der Gestank füllte seine Nase, es schmeckte bitter und er wollte sich wieder übergeben. Er würgte und schüttelte sich, aber nichts kam hervor. Er blies seine Nase frei, um nicht ersticken zu müssen.
    Wie lange konnte es noch dauern? Er wusste nicht einmal, wie viel Zeit vergangen war. Einziger Anhaltspunkt war der Schmerz, der das Tempo verringerte und die Zeit dehnte. Eben das hatte sie prophezeit: es würde ihm vorkommen wie die Ewigkeit. Sobald der Körper merke, dass er am Ende war, versuche er das meiste aus der wenigen Zeit zu machen. Slow motion hatte sie es genannt. Das sei auch gut so, denn von der Dauer und der Qualität der Schmerzen hinge alles ab. Deswegen habe sie sich die Mühe gemacht, ihm möglichst kleine Wunden zuzufügen. Ohne Tortur, kein Preis.
    Er erinnerte sich, sah sie nun ganz deutlich vor sich stehen. Bevor sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, hatte sie sich ein letztes Mal umgedreht und verkündet: „Der Herr liebt es den Menschen zu quälen. So kann er sehen, woraus er gemacht ist. Ist jemand stark und gottesfürchtig? Ist jemand schwach und entsagt ihm? Der Herr liebt die Starken. Er spielt gerne mit ihnen, sogar wenn er verliert. Je stärker der Mensch ist, desto mehr Spaß macht es ihm, ihn zu brechen. Kennst du Hiob? Egal, vergiss es … das soll nicht heißen, dass er kein Interesse an den Huren, Mördern und Spielern hat, am Geschmeiß wie dir.“ Danach hatte sie die Tür hinter sich zugezogen und abgesperrt.
    Zeit zu beten? Er kannte keine Gebete. Selbst ein Gebet erfinden? Wofür beten? Für ein schnelles Ende am Besten. Er betete, dass es nicht mehr so schrecklich weh tun würde, die Dauer war Nebensache. Es war ein kurzes Gebet. Eigentlich war es gar keins und er fand auch keinen Trost darin.
    Er hatte keine Zeit mehr für irgendwelchen Unsinn. Ihm wurde klar, dass er sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren musste. Ja, er durfte keinen Unsinn mehr denken und er durfte nicht mehr versuchen wegzulaufen. Er konnte seine Zeit, die kostbaren Augenblicke und die wenigen Gedanken, die ihm noch blieben, nicht mehr mit Unsinn verschwenden. Aber was war denn überhaupt wichtig? War man tot, war sowieso alles egal.
    Da lag er nun in einer Lache seiner

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