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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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eigenen Säfte, während das Blut weiter aus den Löchern strömte — wie Sand aus einer Sanduhr. Fast wäre er eingeschlafen, aber er hielt sich wach. Ihm musste doch etwas klar werden, nur was?
    Das Denken fiel ihm irgendwie leichter, der Sturm in seinem Kopf hatte nachgelassen. Eben hatte das Blut noch gekocht und auf einmal war ihm kalt. Wieso wurde ihm kalt?
    Je weniger Blut noch im Körper war, desto weniger konnte es auch kochen und Schmerzen verursachen, erklärte er sich die Sache. So fühlte es sich also an, zu sterben. Man bekam gar nicht wirklich mit, was passierte. Seltsam, verpasste man am Ende sogar seinen eigenen Tod?
    Plötzlich wurde er hellwach, denn genau das war der Trick an der Sache: der Tod musste ihn verpassen! Er musste sterben, um dann doch zu bleiben. Haha, genau so ging es! Aber er musste im richtigen Moment daran denken. Wenn er ans Ende kam, nein, ganz knapp davor musste er den Trick ausführen. Es musste seine letzte Tat sein. Er musste sich klarmachen, dass er bleiben wollte und nicht gehen durfte. Ja, der Tod sollte kommen und ohne ihn wieder weggehen. So ging der Trick … was für ein Trick? Hatte sie einen Trick erwähnt oder waren das die wirren Gedanken einer gequälten Seele?
    Zu wissen, dass man bald sterben würde und nicht zu wissen, wie es danach weitergehen würde, das war nicht fair. Wie oft hatte er sich gewünscht tot zu sein? Eigentlich jeden Tag, so ziemlich sein ganzes Leben lang. Er hatte sich schon oft vorgenommen, Schluss zu machen. Mit der Rasierklinge hatte er sich in den Arm geschnitten, ein wenig mehr von den Pillen genommen als empfohlen, mehr Koks, mehr Alkohol, mehr, mehr, mehr. Aber der Schnitt war nie tief genug und es war immer zu wenig Stoff gewesen. Selbst hätte er es niemals zu Ende bringen können, alles nur gedacht und nicht gemacht. Die Angst vor der ewigen Dunkelheit, dem Nichts, das da kommen würde, hatte ihn nicht weitermachen lassen.
    Er hatte sich immer der Illusion hingegeben, dass ihn am Ende sein Lebensstil ins Grab bringen würde. Alles nur eine Frage der Zeit, hatte er sich gesagt. Egal, jetzt lag er hier unten im Keller und es sah ganz danach aus, als ob er es dieses Mal geschafft hätte. Zugegeben, sie hatte ihn dazu gezwungen.
    Nicht nur die Angst hatte ihn weiterleben lassen, da war auch die leise Hoffnung gewesen, dass er eines schönen Tages in einer anderen Welt aufwachen würde. Er wollte in der Welt der anderen leben, weit, weit weg von seinem alten Ich. Er hätte es sogar schaffen können, er hätte bloß nicht wieder zurückkehren dürfen nach einem der Trips. Wieso hatte er das damals nicht verstanden? Wie dumm er doch gewesen war.
    Er hatte nicht viel verlangt, wollte nur leben wie die Leute im Fernsehen. Nicht wie die aus den Filmen, nein, mehr wie die aus den Werbesendungen. Gott, bloß keine Abenteuer wie in den Filmen! Er hatte gewusst, dass sein Heil im Alltag liegen würde, in Ritualen, die nicht kaputt machten, sondern in Ritualen, die das Leben feierten. Ein Leben zwischen Waschmaschine, Fleisch aus dem Toaster und dreilagigem Toilettenpapier.
    Diese Welt verlief entlang seiner eigenen und manchmal, so hatte er geglaubt, hätte ein kleiner Schritt ausgereicht, um in sie eintreten zu können. Den Traum mit dem Toilettenpapier hatte er sich schon mal erfüllt. Auf dem Papier waren kleine blaue Wolken abgebildet gewesen und es war so weich gewesen. Ein Stück aus der anderen Welt, wo es dem Menschen gut ging, ein Stück Normalität.
    Er hätte so gerne zu denen gehört, die sich in den Einkaufszentren wohl fühlten, anstatt Angst davor zu haben, in der Masse unterzugehen. Er wollte im Park spazieren gehen und nicht länger zu denen gehören, die im Park Drogen kauften oder ihre Körper verkauften. Eines Tages, so hatte er gehofft, würde er zu der großen Herde der Menschen gehören, von ihr akzeptiert werden und nicht mehr in der Angst leben müssen, unter ihren Hufen zerquetscht zu werden.
    Dumme Hoffnung! Dumme Angst!
    Ein Bekannter hatte mal behauptet, dass Hoffnung das größte Übel auf Erden sei. Leute, die das Konzept nicht richtig verstanden hätten, fielen ihr gerne zu Opfer und merkten nicht, wie sie einen süßen Tod starben. Hoffnung sei Opium für die Massen, es mache sie zu Verrätern an sich selbst. Sie litten still vor sich hin und weigerten sich, gegen die Umstände zu rebellieren. Sie opferten sich selbst, um nicht ihre Hoffnung opfern zu müssen. Das hatte der Typ gesagt und sich dann eine Spritze

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