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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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Schritt wurde die Musik lauter. Neben einem Werkzeugkoffer lagen in einer kleinen roten Lache Zange und Säge. Er blieb kurz stehen, zögerte und blickte hinunter auf seinen rot gefärbten Körper.
    „Hallo“, sagte er nochmals, dieses Mal etwas lauter. Trotzdem antworte sie nicht. Er machte einen weiteren Schritt. Bald war er bei ihr. Die Person hielt inne, sie musste seine Anwesenheit bemerkt haben. Sie drehte sich um. Die Gestalt trug eine durchsichtige Schutzbrille, welche unter ihrem Atem angelaufen war, und eine weiße Maske, die das Gesicht verschleierte. Maske und Brille waren blutgesprenkelt, die Vorderseite ihres Anzugs war gänzlich rot. Er sah in ihre Augen. Blau. Die funkelnden Augen erkannte er sofort. Wo war seine Wut? Er hatte sie doch zerstückeln wollen. Kein Hass mehr auf sie.
    „Buh“, sagte sie und lachte. „Ich bin gerade fertig geworden … kaum ist die Drecksarbeit gemacht, wirst du wach. Ein Schelm der was Böses denkt.“
    Während sie redete, zog sie die Brille aus und warf sie neben die Tüte.
    „Naja, hätte ich genauso gemacht. Scheiß Arbeit. Aber manchmal kommt man einfach nicht drumrum.“
    Jetzt streifte sie die Maske ab und warf sie neben die Brille. Dann machte sie sich daran, die Handschuhe auszuziehen.
    „Wenn es geht säge ich nicht. Geht ja auch anders. Wirst du alles noch lernen. Die Kniffe unseres Daseins, meine ich.“
    Der erste Handschuh flog durch die Luft.
    „Hey, du warst aber wirklich lange KO. Schon fast klar Schiff hier. Haha. Ich weiß ja, dir gefällt es hier unten, aber wir müssen so langsam echt aufbrechen.“
    Der zweite Handschuh folgte dem ersten.
    „Irgendwann wird jemand hier runter kommen. Früher oder später. Und wir wollen doch nicht mit heruntergelassenen Hosen erwischt werden.“
    Sie sah ihn erwartungsvoll an. Was wollte sie nur von ihm?
    „Sag bloß, du hast deinen Humor verloren. Im Ernst, das war voll lustig.“
    Sie starrte in sein regungsloses Gesicht und führte dann langsam und mit ruhiger Stimme aus: „Du bist nackt, äh, hallo, heruntergelassene Hose? Aha, dir ist nicht nach lachen. Oh, oh, du gehörst doch nicht etwa zu den Leuten, die zum Lachen in den Keller müssen?“
    Wieder sah sie ihn erwartungsvoll an. Als er immer noch keine Reaktion zeigte, versteinerte sich ihre Miene. Vor sich hin grummelnd, begann sie damit den Mundschutz in einer schwarzen Tüte zu verstauen.
    „Hinten ist ein Waschbecken. Mach dich sauber. In der grünen Tüte sind Kleider. Da sind auch Pflaster und so. Kleb das große Pflaster auf deinen Hals.“
    Die heitere Stimme war eisig geworden. Er tat, was sie sagte. Wer war diese Frau? Ein Monster? Er hatte sie damals im Park kennengelernt. Er hatte sie geliebt? Er? Nein. Das war der Mensch Sebastian gewesen und der hatte sie strenggenommen auch nicht geliebt.
    Später folgten weitere Anweisungen: „Mach das Waschbecken sauber! … füll die Eimer mit Wasser! … warte bis das Wasser richtig heiß ist! … mach sie randvoll!“
    Nachdem die Eimer gefüllt waren, drehte er sich zu ihr um und sah sie erwartungsvoll an. Sie studierte gerade die Rückseite einer Flasche mit Bleiche.
    „Kipp die Eimer über dem Blut aus. Nimm den Besen. Kehr alles den Abfluss hinunter“, sagte sie, ohne den Blick von der Flasche abzuwenden.
    Es war besser, sie bei Laune zu halten, stellte er fest. Das war schon mal beim Alten geblieben.
    Hatte er wirklich so viel geblutet? Beim Kehren bildete sich Schaum. Die Blasen zerplatzten, rote Blubber-Blasen und Dreck. Er gab sich Mühe, aber das Blut hatte Flecken im Beton hinterlassen, die er nicht wegwischen konnte. Es war seltsam, die eigenen Überreste zu entsorgen und alles dem Abfluss zu übergeben, dabei hatte er um jeden Tropfen gekämpft. Sein Leben floss da gerade ab. Alles nur Müll.
    „Schlaf nicht ein. Kipp noch einen Eimer Wasser drüber“, ermahnte sie ihn.
    Neben dem Waschbecken stand ein voller Eimer, er hatte nicht gemerkt, dass sie ihn weggenommen und gefüllt hatte. Auf dem Waschbecken stand die Flasche mit der Bleiche. Sie sah ihn scharf an, nur kurz, aber er machte schnell weiter. Nun arbeitete er konzentrierter. Das Blut war Müll und es gab keinen Grund sentimental zu werden.
    Als er fertig war, drückte sie ihm einen weiteren Eimer in die Hand. Intensiver Geruch von Bleiche, schlug ihm entgegen. Nach und nach kippte er die Flüssigkeit über dem Boden aus und schrubbte nach. Es dauerte zwar, aber mit der Bleiche verschwanden auch die letzten Blutflecken.

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