Totgeburt
dem Fenster steigen. Wir hatten schon mehrere Originale hier. Reiche Russen lieben das Zeug. Hängen es an eine Wand oder verstauen es in einem Safe und keine Sau kriegt die jemals mehr vors Gesicht.“
„Verschwendung“, kommentierte Caspar.
„Klar, ich würde mir auch was besseres einfallen lassen, was ich mit dem Geld mache. Egal, dass es Fälschungen sind, macht die Sache erst richtig interessant. Besser als das Original, finde ich. Der Künstler, der sie herstellte, mein Fälscher, hatte wirklich Talent. Wir haben gutes Geld mit ihm gemacht, aber vor allem unseren Spaß gehabt. Man braucht einen guten Künstler, um gute Fälschungen herzustellen. Sie müssen authentisch sein. Leider sind Künstler anstrengend, wollen es sich nicht leicht machen. Ihr Wille ist schwer zu brechen und dann gehen sie mir nichts, dir nichts einfach kaputt. Irre Vorstellungen, besonders der hier. Er wollte irgendwann nicht mehr mit uns arbeiten, es verletze seinen Stolz. Seine Ehre sei gekränkt und so ein Schwachsinn. Ich fragte ihn, was er wollte, verdiene er doch gut. Weißt du, was der Kerl sagte? Er wollte Anerkennung. Unsere Anerkennung natürlich nicht, sondern die der restlichen Welt. Die Anerkennung des Publikums, der Kunstwelt, später von Historikern und anderen Klugscheißern. Dabei hatten wir ihn entdeckt, wir hatten ihn aus der Gosse gefischt. Nicht die Galeristen, nicht die Kunstsammler. Außerdem schenkten wir ihm Frauen. Und dann fängt er mit dem Scheiß an. Mehr, mehr, mehr. Wenn der Mensch Geld hat, will er auf einmal etwas, was Geld nicht kaufen kann. Und wenn man ihnen das Gegenteil beweist, zum Beispiel einen Kritiker dazu bringt, nett zu ihm zu sein, dann wollen sie auch das nicht. Nicht echt, sagte er! Am Ende war das ein richtiges Wrack. Wurde zunehmend unausstehlich, machte Probleme.“
„Verstehe … ääh, wieso sind Fälschungen besser als das Original?“
„Na, hör mal. Sie zeigen dem Menschen seinen Platz in der Welt. Sie weisen ihn in die Schranken … wie erkläre ich es nur? Die Menschheit hat ihre Künstler zu einer besonderen Kaste ernannt. Eine Kaste von Menschen, die man angeblich nicht kopieren und imitieren könne … göttliche Inspiration! Unser hochgeehrter Künstler bewies das genaue Gegenteil. Der Picasso ist ein echter Picasso, der nur nicht von Picasso gemalt wurde, sondern von unserem lausigen Straßenköter. Aber Picasso hätte ihn gemalt, wenn er nur Lust und Zeit dazu gehabt hätte … Inspiration, haha … der Kerl kopierte sämtliche Meister, ging all seine Lieblinge durch, Picasso, Annenkov und wie sie nicht alle heißen. Er bewies doch selber, dass Kunst nicht authentisch ist. Wieso wollte er dann Anerkennung? Tragisch, nicht wahr? Wie gesagt, er war ein verrückter Hund.“
„Aber Kopien sind nicht das Original. Sie imitieren wirklich bloß den Schöpfungsprozess eines anderen. Es geht darum als erster auf die Idee gekommen zu sein.“
„Ach, dieses ‚ich war aber erster‘ Getue. Kinderkacke. Guck dir die Großen an. Die haben überall geklaut … da was und da was. Wird ja keinem auffallen, wenn ich das mache, sagen die sich. Weißt du, was ein echter Fälscher macht? Er kopiert nicht einfach ein bestehendes Werk, sondern er sucht sich einen Künstler aus und schlüpft dann in dessen Haut. Das ist Kunst. Die Leute derart blenden zu können ist Kunst. Er malt Bilder, die aussehen, als ob der Künstler sie geschaffen hätte und wenn der Rahmen stimmt, die Dokumente gut gefälscht sind, die Geschichte, die man aufbaut Sinn macht … wie zum Beispiel ‚das Bild stammt aus dem Nachlass des verstorbenen Bankiers und Kunstliebhabers blabla‘, dann glaubt jeder, ein Original in Händen zu halten. Ich hätte dich auch noch dazu bringen können, hätte ich nur eine plausible Geschichte erzählt. Die Kunst der Fälscher geht einen ganzen Schritt weiter als die Kunst der Künstler.“
„Was bringt es, wenn die Öffentlichkeit das nicht erfährt?“, fragte Caspar.
„Geld und Spaß. Ist mehr so ein Hobby von mir. Außerdem erfahren sie es manchmal.“
„Die Menschen blenden, ihr absurdes Dasein zur Schau stellen, das ist Kunst. Hm, gefällt mir.“
Caspar schmunzelte, was sein Gegenüber mit Wohlwollen aufnahm. Sie reichten sich die Hände. An seinem Handgelenk hing eine goldene Uhr, so eine, die reiche Golfer gerne zur Schau stellten.
„Nenn mich Dennis. Willkommen in der Familie.“
„Ich bin Caspar.“ Dann zeigte er auf die Uhr. „Auch eine
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