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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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du bist. Das mit den Zweifeln, das liegt an deinem Gehirn. Die Verdrahtung da drinnen stimmt noch nicht.“ Hierbei schlug sie mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn. „Wir sind auch nur Fleisch. Besser als normales Fleisch, aber immer noch Fleisch. Premium Filet aus echtem Kobe-Rind könnte man sagen.“
    „Und ich habe mir die ganze Zeit eingebildet, ich hätte Sirup getrunken.“
    „Was? Sirup!“
    Sie lachte wild drauf los und schlug mit beiden Händen gegen das Lenkrad. Wenn sie lachte, zeigte sie ihre Zähne, die Zähne eines Tieres. Er mochte ihr Lachen. War das schlimm?
    Er grinste selbst, was er zunächst nicht merkte, aber er erwischte sich, als er kurz in den Spiegel schaute. Sein Gesicht, es war ihm fremd, er wollte sich nicht wiedererkennen. Er sah wirklich wie ein Zombie aus: dicke Ringe unter den Augen, das Gesicht war weiß und eingefallen, die Nase sah kaputt aus, überall hatte er Kratzer, Schrammen und Blutergüsse.
    Er klappte den Spiegel zu.
    Sie hatte ihn getötet. Er war im Keller verblutet. Ihm wurde schlecht, sein Kreislauf wollte schlapp machen. Dann wich der Schwindel, Freude und Rausch machten sich breit und er genoss die Fahrt durch die sturmgebeutelte Landschaft — als hätte er einen Knopf gedrückt.

XV
    Bei Tagesanbruch erreichten sie ihr Ziel. Sie bogen von der Hauptstraße auf eine Allee ab und die Fahrbahn wechselte vom sanften Asphalt zu einer holprigen Schotterpiste. Links und rechts standen weiße Birken mit schwarzen Flecken. Zügig fuhren sie die Allee hinunter, sodass kleine Steinchen klackernd von der Karosserie des Wagens abprallten. Am Ende des Weges, mitten in der ländlichen Idylle, stand ein alter Bauernhof. Das Anwesen bestand aus einem Haupthaus und zwei Nebengebäuden. Sie parkten auf dem Hof neben einem Geländewagen, einem Kombi und einem roten Roadster. Alles war sauber, nichts deutete auf landwirtschaftliche Nutzung hin: kein Traktor, keine Maschinen und wichtiger noch, kein Gestank nach Vieh oder Dung. Die Luft roch frisch, gereinigt vom Sturm der letzten Nacht.
    Caspar zögerte einen Moment, hasste er den Geruch von Dung oder war es nicht viel mehr der Mensch Sebastian gewesen? Seine heutige Abneigung rührte wohl wirklich von einer alten Verdrahtung in seinem Gehirn her. Nicht alles musste sich ändern, beschloss er und hielt an seiner Abneigung fest.
    „Weit und breit die einzigen Häuser“, sagte er.
    „Stimmt genau. Keine störenden Nachbarn. Bis ins Dorf sind es ein paar Minuten … mit dem Auto.“
    „Ihr habt keine Geldsorgen.“
    „Nein, haben wir nicht. Aber sag nicht ihr, denn du gehörst jetzt dazu. Ja, wir haben keine Geldprobleme, Caspar.“ Sie überlegte kurz und fügte dann hinzu: „Naja, es kommt immer auf die Dimensionen an. Man kann nie genug Geld haben.“
    „Im Vergleich zu früher —“
    „Früher war es scheiße“, unterbrach sie ihn. „Vergiss, was früher einmal war.“
    „Früher war es scheiße. Genau. Was für Dimensionen meinst du eigentlich?“
    „Hm, das wirst du noch früh genug erfahren. Bis dahin merk dir einfach nur, dass du keine Geldsorgen hast.“
    „Ich stell dir deinen neuen Mitbewohner vor. Wir essen was und dann kannst du dich ausruhen. Am Anfang wirst du viel Schlaf brauchen. Später legt sich das.“
    „Ich habe keinen Hunger“, sagte er.
    „Huh, was? Sicher? Komm, wir wollen ein bisschen feiern.“ Sie schien irritiert, aber plötzlich lächelte sie verschmitzt. „Jetzt versteh ich. Du meinst wir essen ständig, äh, Fleisch! Was hältst du nur von uns, Mann? Wir essen immer noch normales Zeug. Wir sind keine wilden Kannibalen oder so.“
    Sie lachte wieder, schlug mit einem imaginären Knüppel nach ihm und gab ‚Ughugh‘ Laute von sich.
    Er wollte sie nicht verstehen. Wie konnte sie so sorglos sein? Sie hatten gerade erst die Überreste eines Menschen zu einem Metzger gebracht. Wie lange dachte sie, würden die Menschen das mitmachen? Die Polizei würde dem Metzger vielleicht auf die Spur kommen. Er gehörte nicht zur Familie, sondern war einer von denen und damit das schwächste Glied in der Kette.
    Nicht das Gewissen plagte ihn, nicht die Vorstellung einen Menschen ausgesaugt zu haben, nein, es war die Vorstellung es könnte zu Ende gehen. Caspar hatte die Tortur nicht mitgemacht, um dann von seinem Preis getrennt zu werden, dem Leben im Paradies auf Erden.
    Ihm war plötzlich nach Spiegeleiern und Speck. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen: „Eier und Speck?“
    „Ja, das lässt sich

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