Totgeburt
Caspar.
„Marie rockt immer“, sagte Dennis.
„Und hat sie gebettelt?“, wollte Caspar wissen.
„Nein“, sagte Dennis und sah seiner Schwester in die Augen, „Marie hat nicht gebettelt.“
„Geheult vor Schmerzen hatte ich“, gestand Marie.
„Ach, die paar Tropfen kann man dir nicht vorwerfen“, warf Dennis ein. „Geboren zu werden, das ist die Hölle.“
„The horror! The horror!“, flüsterte Marie, das Gesicht täuschte Verzweiflung vor und ihr Blick verlor sich im Nirgendwo. Dennis sah ihr gebannt zu, dann trafen sich deren Augen, ein Funkeln glitt über sie hinweg und beide grinsten.
„Seid ihr zwei etwa ein Paar?“, fragte Caspar irritiert.
So verging eine Nacht gefüllt mit Gelächter, Gesprächen und Hänseleien. Sie waren die kleine Familie, die sie sein sollten.
XX
Schon am nächsten Tag setzte Katerstimmung ein, Marie wurde bewusst, dass Caspar jetzt ihr Schüler war. Sie würde ihm beibringen müssen, wie man Menschen entführte und verschwinden ließ. Das war jedoch nicht, was sie wurmte, war es doch, was große Geschwister von Natur aus taten. Was sie störte, das war, dass Caspar das Wissen nur für seinen persönlichen Spaß nutzen wollte. Seine Beweggründe waren rein egoistischer Natur. Wie konnte es überhaupt sein, dass ein Neugeborener mehr Freiheiten genoss als sie? Er lehnte es kategorisch ab, Verantwortung zu tragen und auch nur den geringsten Mehrwert zu generieren. Er entschied aus einer Laune heraus und nun sollte sie es ausbaden. Dabei wurde den Neuen für gewöhnlich gesagt, was sie zu tun hatten, nicht umgekehrt. Nichtsdestotrotz würde sie Caspar beibringen, was er wissen musste, um nicht Opfer seines jugendlichen Leichtsinns zu werden.
Zu ihrer Überraschung hörte er sogar auf sie, ihr Bruder hatte tatsächlich vor, das Handwerk zu erlernen. Zu der einen Überraschung gesellte sich eine weitere, denn wider Erwarten genoss sie die gemeinsame Zeit. Caspar hatte eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht, niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass er so unterhaltsam sein konnte. In dieser Hinsicht hatte die Zeit in der Stadt ihm gut getan. Er gehörte hierher, mitten unter die Menschen. Er war zu einem Teil des pulsierenden Treibens mutiert.
Als erstes lernte er, wie man jemanden observierte, ohne gleich aufzufallen. Das war Grundvoraussetzung dafür, ein geeignetes Opfer zu finden. Sie einigten sich darauf, dass seine Beute aus Nutten bestehen würde. Das war nicht ohne, Huren mochten leichter zu jagen sein als andere Frauen, dennoch waren sie keinesfalls Freiwild. Da waren zum Beispiel die Zuhälter. Argwöhnisch passten sie auf ihr Vieh auf, gaben acht, dass niemand sie ihnen streitig machte, dass sie sich nicht aus dem Staub machten und dass niemand ihr Eigentum beschädigte. Zum Glück konnten sie nicht ununterbrochen ihre Herde hüten und sobald sie unachtsam wurden, würde Caspar zugreifen.
Man konnte sich natürlich auch eine Selbstständige angeln, eine von denen, die ihr Glück ohne Beschützer versuchten, was allerdings riskant war. Die Damen passten aufeinander auf und kam eine nicht zurück, machte das schnell die Runde. Informationen wurden ausgetauscht und weitergeleitet. Meistens waren es nämlich Einheimische, die so arbeiteten und die hatten nicht selten Familien und Freunde, die sich um sie sorgten. Diese Leute konnten bei den Behörden Druck machen oder sie wanden sich direkt an die Presse. Die Presse konnte sowieso gewaltig nerven, man konnte nicht das Erscheinen jedes Artikels verhindern, jedenfalls nicht, wenn es um Lappalien ging. Bei einer wäre das alles nicht tragisch gewesen, gleichwohl hatte Caspar vor, eine ganze Serie an Morden zu begehen. Er träume davon, die ganze verdammte Stadt in Angst und Aufruhr zu versetzen, erzählte er witzelnd. Marie war dabei nicht zu lachen zu mute, was wenn er es wirklich ernst meinte? Sie riet ihm, lieber jagt auf Frauen von Auswärts zu machen, den Frauen, die kamen und gingen, ohne beim Staat vorstellig zu werden.
Es gab so viel zu beachten, man brauchte ein unauffälliges Auto, unauffällige Kleidung und musste wissen, worauf die Polizei achtete. Improvisationstalent war gefragt und mochte von Nutzen sein, aber das A und O einer jeden Jagt, sei gründliche Planung, impfte sie ihm ein. Bei seinem Spiel sei letztlich die Polizei der Hauptgegner. Wie sollte man, bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle zum Beispiel, erklären, dass es einen ganz vernünftigen Grund gab, wieso man eine
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