Totgeglaubt
hinzu.
“Aus dem Weg”, befahl Allie. “Beide.”
Joe provozierte sie mit einem arroganten Grinsen. “Und was, wenn wir keine Lust dazu haben?”
“Dann verhafte ich Sie.”
“Das glauben Sie doch wohl selbst nicht, Baby.”
“Habe ich nicht gerade erst gehört, dass Sie Ihre Dienstmarke abgegeben haben?”, ergänzte Roger.
Joe rückte noch näher an das Fahrerfenster heran, so nah, dass Allie seine Bierfahne riechen konnte. “Sie müssen ganz schön scharf auf Clay gewesen sein, oder? War es denn wenigstens so gut, wie Sie gehofft haben?”
Allie zwang sich zu einem überlegenen Lächeln. “So gut es nur sein kann.”
Joes Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. “Na, dann hoffe ich mal, dass es ausgereicht hat, um Sie für den Rest Ihres Lebens zufriedenzustellen. Denn das war’s dann wohl. Clay wird hinter Gitter wandern. Lebenslänglich.”
“Sagt wer?”
“Sie wissen, dass es stimmt.”
“Vielleicht werden Sie ihm dort schon sehr bald Gesellschaft leisten”, schoss Allie zurück.
Das Lächeln verschwand aus Joes Gesicht. “Warum sagen Sie das?”
“Versuchter Mord ist ein schwerwiegendes Verbrechen.”
“Es war doch nicht meine Baseballkappe, die Sie im Wald gefunden haben”, höhnte er.
Allies Herz tat einen Satz. Niemand außer Hendricks wusste von der Kappe. Er musste Joe informiert haben, direkt nachdem sie aufgelegt hatte.
Vielleicht war die Kappe aber auch nur ein Trick. Der Versuch, Clay loszuwerden – und mit ihm den einzigen Mann, der ihm in den letzten neunzehn Jahren die Stange gehalten hatte.
“Wenn Sie auch nur das Geringste mit dem abgefeuerten Schuss zu tun haben, dann sollten Sie sehr gut achtgeben”, warnte sie.
“Weil …”
“Weil ich Sie drankriegen werde!”
“Soll das eine Drohung sein?” Joe warf seinem Bruder einen Blick zu. “Ich glaube, sie hat mir gerade gedroht. Was meinst du?”
Allie hätte einiges gegeben, um ihnen ihre Häme auszutreiben. “Es ist keine Drohung, es ist eine Warnung.”
“Kommen Sie, Püppi, jetzt hören Sie auf zu träumen.” Joe klopfte aufs Autodach.
Allie bremste und trat gleichzeitig das Gaspedal durch. Das plötzliche Aufheulen des Motors und der kräftige Satz, den der Wagen tat, machten auf Joe und Roger zumindest so viel Eindruck, dass sie zur Seite sprangen. Mit einem breiten Grinsen fuhr Allie davon.
“Was waren das für Männer, Mommy?”, fragte Whitney, vom Quietschen der Reifen hochgeschreckt.
Allie kurbelte das Fenster wieder hoch. “Schlechte Menschen, meine Süße.”
“Werden sie uns wehtun?”
“Nein. Wenn es nach mir ginge, würden sie direkt ins Gefängnis wandern.”
“Oh.”
Allie sah im Rückspiegel, wie Whitney sich noch tiefer in ihre Decke kuschelte.
“Können wir jetzt nach Hause fahren?”, fragte sie gähnend.
“Gleich, in ein paar Minuten”, antwortete ihre Mutter.
Sie fuhr hinaus zu Clays Farm, aber als sie dort ankam, sah sie, dass kein einziges Licht brannte und der schwarze Pick-up nicht auf dem Hof parkte. Wo war Clay? Allie fuhr am Haus seiner Mutter vorbei, an Graces und Kennedys Villa, an Madelines urigem Häuschen und sogar am
Stillwater Independent.
Ohne Erfolg.
Allie wusste nicht, wo sie sonst noch suchen sollte. Doch plötzlich fiel ihr ein weiterer Ort ein. Die Vorstellung, Clay dort anzutreffen, machte sie fast wahnsinnig. Aber es würde immerhin erklären, warum er sich die ganze Zeit nicht gemeldet hatte.
“Clay, bist du’s wirklich?” Beth Ann blinzelte in das Verandalicht, das sie eingeschaltet hatte. “Was machst du hier?”
“Ich … bin zufällig vorbeigekommen”, sagte er lahm. Er wusste selbst nicht genau, warum er gekommen war, er wusste nur, dass er mit jemandem reden musste, über das Neugeborene und die überwältigenden ersten Stunden im Krankenhaus. Grace und Kennedy hatten vor Glück gestrahlt. Seine Mutter hatte ihren Schmerz vergessen, während sie ihr erstes Enkelkind bestaunte, und auch Maddy hatte ihre Tränen kaum zurückhalten können, als sie ihre kleine Nichte auf dem Arm schaukelte. Molly war die Einzige gewesen, die noch fehlte, aber sie kam ja nächste Woche. Zum ersten Mal hatte es sich … normal und gesund angefühlt, mit seiner Familie zusammen zu sein. Es hatte ihm Hoffnung gemacht und seine Sehnsucht nach einer eigenen Familie genährt.
“Alles in Ordnung mit dir?”, fragte Beth Ann zaghaft.
“Ja, mir geht’s gut.”
“Komm rein.”
Er war kaum über die Türschwelle getreten, da schlang sie
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