Totgeglaubt
versprochen, dass Barkers Verschwinden endlich aufgeklärt wird! Aber ich konnte sie mit einiger Mühe immer wieder davon überzeugen, dass wir alles in unserer Macht Stehende unternommen haben und auch weiterhin unternehmen werden, dass die Beweise aber nicht für eine Strafanzeige ausreichen. Und das war okay für sie – bis gestern. Jetzt verlangt sie eine minutiöse Untersuchung.”
Allie atmete tief durch. Bis eben gerade hatte sie das gerötete Gesicht ihres Vaters angestarrt und sich gefragt, ob er tatsächlich ihre Mutter betrog. Aber Dales letzte Bemerkung riss sie aus ihrer Grübelei. “Was?”, murmelte sie.
“Du hast mich ganz genau verstanden. Es war dein Ziel, seit du nach Stillwater zurückgekommen bist. Und jetzt hast du es erreicht. Also: Bring endlich Licht in den Fall, und zwar besser heute als morgen, sonst sind wir beide unseren Job los.”
Allies Kinnlade klappte herunter. Sie hatte kein Interesse mehr daran, Barkers Verschwinden aufzuklären. Mittlerweile quälte sie sich regelrecht durch die Protokolle und Aussagen im Archivraum, weil sie Angst hatte, auf irgendeinen Beweis für Clays Verwicklung in den Fall zu stoßen. “Ich habe meine Meinung geändert”, sagte sie. “Die Beweislage ist zu dürftig. Ich kann den Fall nicht lösen.”
“Zu spät”, erwiderte er. “Du hast keine Wahl mehr. Entweder löst du diesen Fall, oder wir packen unsere Koffer. Und letztlich werden sie dann trotzdem ein Verfahren gegen Clay einleiten.”
“Das heißt, es ist offiziell? Die Ermittlungen sind wieder eröffnet?”
“Ja. Aber der Ausgang des Ganzen wird wohl nicht lange offen bleiben.”
“Auf der Grundlage dessen, was wir haben, werden sie niemals zu einer Verurteilung kommen.”
“Das wird von den Geschworenen abhängen. Wenn sie aus dieser Gegend kommen, kann man sich auf alles gefasst machen.”
Shit!
Allie wusste, dass Clays Feinde mächtig genug waren, um die Geschworenenbank nach ihrem Gutdünken zu besetzen.
Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. “Wir können nicht einen unschuldigen Menschen ins Gefängnis bringen, Dad. Denn dahin wird das doch alles führen, oder? Sie wollen ihn aus dem Weg schaffen und sind es leid, auf Beweise zu warten, die man dafür bräuchte.”
“Wer sagt, dass Clay unschuldig ist?”
“Ich!”
“Dein Herz sagt dir das, Allie. Und genau das ist es, was mich so beunruhigt.”
Wie stand es um Dales Herz? Wie war sein Herz in die ganze Sache verstrickt? Und wie stand es um seine Ehe? Allie hätte ihn gern gefragt, ob er sich mit einer anderen Frau traf, aber bislang konnte sie ihm lediglich vorwerfen, aus der falschen Kaffeetasse zu trinken. Clay hatte recht; der Lippenstift konnte theoretisch allen Frauen gehören, die jemals in dem Streifenwagen gesessen hatten. Zwar nahm sein Vater nur selten Frauen mit, aber hin und wieder kam es doch vor.
“Ich habe einfach nur versucht, Madeline zu helfen”, sagte sie.
Er schob ein paar Papiere beiseite und setzte sich endlich wieder. “Wenn sie ihren Bruder einsperren, dann wirst du ihr keinen großen Gefallen getan haben.”
“Das ist nicht das, was ich bezwecken wollte.”
“Ich weiß. Ich habe ja auch versucht, dich aus der Sache herauszuhalten …” Er verstummte und schüttelte frustriert den Kopf.
“Die Montgomerys sind durch die Hölle gegangen, Allie. Glaubst du, ich möchte, dass das passiert, was sich gerade abzeichnet? Tatsächlich lag mir Clays Wohl am Herzen, als ich ihn neulich in der Kirche gebeten habe, sich von dir fernzuhalten. Aber ihr zwei wolltet nicht auf mich hören. Und nun habe ich keine andere Wahl, als die Ermittlungen wieder zu eröffnen.”
Allie rekapitulierte die Aktenlage, so wie sie sich ihr bislang darstellte, und versuchte, die neu gewonnenen Informationen einzupassen: Lucas’ seltsames Verhalten am Telefon und das Foto, das bei Jed Fowler im Wohnzimmer stand. Was bedeutete all das für Clay? Für Madeline? Und für den Rest der Montgomerys?
Sie dachte daran, wie Clay sie in der Hütte im Arm gehalten hatte, erinnerte sich an ihre Sehnsucht, seinen Mund auf ihren Lippen zu spüren …
“Clay war es nicht”, sagte sie.
Ihr Vater runzelte skeptisch die Stirn. “Und wenn, es spielt nicht wirklich eine Rolle, oder? Irgendjemand muss dafür bezahlen. Irgendwie werden sie ihn drankriegen.”
“Nein, werden sie nicht”, widersprach sie. “Er war es nicht, und das werde ich beweisen.”
Allie lächelte ihre Tochter an. “Schön stillhalten, meine
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