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Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan

Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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blätterte. Als ich ebenfalls nach einer Zeitschrift griff, schaute sie hoch und lächelte. Sie brauchte dringend einen Zahnarzt.
    Fünf Minuten nach meiner Ankunft wurde die Châteleine -Frau ins innere Heiligtum gerufen. Ich befürchtete, dass sie eine Weile dort drinnen sein würde.
    Augenblicke später verließ ein Mann das innere Heiligtum. Er hatte das Sakko über dem Arm und die Krawatte gelockert. Er bewegte sich ziemlich schnell.
    Bergeron erschien und führte mich in sein Büro. Von etwas weiter hinten war ein schrilles Jaulen zu hören. Ich dachte an die Châteleine -Frau . Ich dachte an die Pflanze aus dem Film Der kleine Horrorladen.
    Während ich meinen Karton auspackte, erzählte ich Bergeron das Wichtigste über den Fall. Er hörte zu, die knochigen Arme vor der knochigen Brust verschränkt, die weißen Kraushaare leuchtend im Licht vom Fenster.
    Als ich geendet hatte, nahm Bergeron den Schädel und betrachtete die oberen Zähne. Er untersuchte den Unterkiefer. Dann fügte er den Unterkiefer an den Schädel und untersuchte den Biss.
    Bergeron streckte die Hand aus. Ich legte ihm den kleinen braunen Umschlag hinein.
    Er schaltete seinen Lichtkasten an, legte die Zahn-Röntgenaufnahmen darauf und beugte sich darüber. Im hellen Widerschein sah seine Krause aus wie ein Löwenzahn.
    Sekunden vergingen. Eine ganze Minute.
    » Mon Dieu , keine Frage.« Ein knochendürrer Finger klopfte auf den zweiten und den dritten oberen Backenzahn. »Sehen Sie sich diese Pulpakammern und -kanäle an. Dieser Mann war mindestens fünfzig. Wahrscheinlich älter.«
    Der Finger rutschte zum ersten Backenzahn.
    »Hier ist viel weniger Dentin-Ablagerung festzustellen. Dieser Zahn stammt zweifellos von einer jüngeren Person.«
    »Wie viel jünger?«
    Bergeron richtete sich auf und zog geräuschvoll Luft durch die Lippen. »Fünfunddreißig. Vierzig vielleicht. Auf keinen Fall älter.«
    Bergeron gab mir den Schädel zurück.
    »Minimale Höckerabnutzung. Eher das unter Ende dieses Altersbereichs.«
    »Können Sie mir sagen, wann dieser Backenzahn eingesetzt wurde?«
    Bergeron schaute mich an, als hätte ich ihn gebeten, eine quadratische Gleichung im Kopf auszurechnen.
    »Nur eine grobe Schätzung?«, konkretisierte ich.
    »Der Kleber ist vergilbt und bröckelig.«
    »Moment.« Ich hob die Hand. »Heißt das, dass der Zahn eingeklebt ist?«
    »Ja.«
    »Dann wurde er also nicht vor zweitausend Jahren eingesetzt?«
    »Auf keinen Fall. Vielleicht vor ein paar Jahrzehnten.«
    »In den Sechzigern?«
    »Sehr wahrscheinlich.«
    Option B oder C, Einsetzung während Yadins Ausgrabung oder im Musée de l’Homme. Mein Bauch sagte mir noch immer B.
    »Könnten Sie diese drei oberen Backenzähne für mich ziehen?«
    »Selbstverständlich.«
    Bergeron legte den Schädel wieder in den Karton und verließ damit das Büro. Ein Meter neunzig mit der Anmut eines Bügelbretts.
    Ich steckte die Röntgenaufnahmen in den Umschlag und fragte mich, ob ich da vielleicht nur viel Lärm um nichts machte. Der Zahn stammte von einer jüngeren Person. Irgendjemand hatte ihn in den falschen Kiefer gesteckt. Vielleicht ein freiwilliger Ausgräber. Vielleicht Haas. Vielleicht ein unwissender Museumsangestellter.
    Aus den Tiefen der Praxis kam noch immer das Jaulen.
    Es gibt unzählige Momente, in denen Fehler bei der Individuation passieren können. Bei der Bergung. Beim Transport. Bei der Sortierung. Beim Reinigen. Vielleicht hatte diese Einfügung noch in der Höhle stattgefunden. Vielleicht in Haas’ Labor. Vielleicht später im Museum in Paris.
    Bergeron kam zurück und gab mir den Karton und einen Ziplock-Beutel.
    »Können Sie mir sonst noch etwas sagen?«, fragte ich.
    »Wer diesen Zahn eingesetzt hat, war ein totaler Stümper.«
     
    Das centre d’animaux Kaplan war ein einstöckiger Laden mit Glasfront in einer Reihe von ein- oder zweistöckigen Läden mit Glasfront an der Rue Jean-Talon. Schilder im Fenster boten Hunde- und Katzennahrung, tropische Fische und ein Sonderangebot für Sittiche samt Käfig an.
    Zwei Türen gingen direkt vom Bürgersteig ab, eine aus Holz, die andere aus Glas. Glöckchen bimmelten, als Ryan Letztere öffnete.
    Der Laden war voller Gerüche und Geräusche. An einer Wand blubberten Aquarien, eine andere säumten Vogelkäfige, deren Bewohner vom Langweiler bis zum Exoten reichten. Hinter den Fischen entdeckte ich andere Vertreter der Linnéschen Hierarchie. Frösche. Eine sich windende Schlange. Ein kleines, pelziges

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