Totgekuesste leben laenger
dann riss Josh sich los. Schwankend wehrte er Kairos ab und wich immer weiter zurück. Er duckte sich, als ein schwarzer Schatten, den außer uns dreien niemand sah, auf ihn niederfuhr.
Ich raste um das schwarze Cabrio herum und langte nach Joshs Arm.
»Hey!«, rief er und versuchte sich zu befreien, bis er mich schließlich erkannte. Seine Brille saß schief und in seinen blauen Augen stand die nackte Angst. Angst davor, mir endlich glauben zu müssen und Angst vor dem Tod, der mitten auf dieser Kreuzung wartete und uns ansah.
Meine Muskeln versteiften sich vor Entsetzen. Zwischen uns und Kairos waren auf einmal Menschen, die ihn fragten, ob es ihm gut ginge.
Jemand rempelte mich an und erschrocken zog ich Josh mit mir, ohne Kairos dabei aus den Augen zu lassen. Er wollte mich schon tot sehen, bevor ich sein Amulett stahl. Warum bloß?
»Komm«, drängte ich und schob Josh durch das Gewühl. »Steig ins Auto!«
Ich zuckte zusammen, als ich ganz in der Nähe meinen Schutzengel kichern hörte. »Es war mal ein Junge, sehr barsch, der blies seiner Süßen den Marsch, er war beinah' verreckt, doch eh Kairos es checkt, rettet ihm noch schnell jemand … das Leben.« »Los, ins Auto!«, rief ich und zerrte Josh, der immer noch Kairos anstarrte, mit mir. Jetzt, da mein Schutzengel wieder da war, glaubte ich nicht, dass die Schwarzflügel uns noch sehen konnten.
Wahrscheinlich war sie es gewesen, die die Ampel zu Fall gebracht hatte.
»Er ist es«, sagte Josh, der ziemlich bleich war. »Er hat nach dir gefragt«, fügte er hinzu und rückte sich die Brille wieder gerade.
Wortlos schob ich ihn durch die gaffende Menge zu seinem Pick-up, in dem noch immer die Musik röhrte, die einen guten Soundtrack zu dem allgemeinen Chaos abgab. »Wow, so eine Überraschung aber auch!«, murmelte ich, als wir bei dem Auto angelangt waren. Von Weitem hörte ich eine Sirene. Ich warf meinem Schutzengel einen dankbaren Blick zu: Sie hatte es geschafft, Kairos zu stoppen, ohne Josh mit in den Unfall hineinzuziehen. Kein einziger Kratzer war an seinem Wagen und somit gab es auch keinen Grund für uns, noch länger hierzubleiben. Kairos hingegen würde hier nicht so einfach wegkommen, was uns noch mehr Zeit verschaffte, um uns vor ihm in Sicherheit zu bringen. Sie war gut. Ach was, sie war brillant!
Die heiße Sonne knallte auf den Parkplatz des Eiscafés, als ich die Tür von Joshs Pick-up aufriss. Aus der Anlage plärrte gerade Don't fear the Reaper. Ich rutschte über die Sitzbank und zog Josh mit rein. Mein Schutzengel sang lauthals mit, ihre glockenhelle Stimme machte das Ganze noch absurder.
»Das Ding fährt auch, oder?«, fragte ich. Josh atmete tief durch und bediente mit zitternden Händen die Gangschaltung des noch immer laufenden Pick-ups. Vorsichtig bog er wieder in die Straße ein und beschleunigte. Mit jeder Sekunde vergrößerte sich der Abstand zwischen Josh und Kairos, Kairos und mir. Zur großen Enttäuschung des Schutzengels stellte Josh die Musik ab. Er sah öfter in den Rückspiegel als vor sich auf die Straße. Mit schnellen, hektischen Bewegungen legte er den Sicherheitsgurt an. »Alles in Ordnung?«, fragte ich und beugte mich vor, um auf den Tacho zu gucken. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der so weiß im Gesicht war wie Josh. Vielleicht wäre es ja besser, wenn ich fuhr? Er leckte sich über die Lippen. »Das war er. Er hat nach dir gefragt, richtig mit Namen.«
Meine Brust schmerzte. Ich atmete tief durch, um es ihm zu erklären. »Wenigstens hat er dich nicht umgebracht. Hey, kannst du mal langsamer fahren? Hier sind auch noch andere Leute auf der Straße.« »Was ist, wenn er uns folgt?«, widersprach er. Ich legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn zu beruhigen, doch er zuckte nur zusammen.
»Er kann deine Aura nicht verfolgen, wegen meines Amuletts - solange du bei mir bleibst, bist du sicher.« »Das liegt am Engel, Baby, nicht am Amulett«, tönte eine glockenhelle Stimme von der Hupe herauf. »Weiß ich«, gab ich zurück, »aber das glaubt er doch nie.«
Mist. Mein Mund klappte zu und ich krümmte mich vor Unbehagen.
Josh fuhr langsamer, als ein Polizeiauto an uns vorbei in Richtung des Unfalls raste. Dann hielt er am Straßenrand an und wandte sich mir zu. »Mit wem redest du da? Bitte, bitte, bitte sag mir, dass das keine toten Menschen sind.«
Ich bekam Kopfschmerzen. Manchmal war ich echt so was von blöd. »Mit meinem, äh, meinem Schutzengel«, erklärte ich zögernd. »Sie, tja, also
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