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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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sie sitzt da auf deiner Harley-Hupe.«
    »Dein Schutzengel?«
    Ich lächelte gequält. »Sie ist von der Garde für Rettung, Abteilung Cherubim-Einsatz-Staffel, einssieben-sechs. Oder kurz, G.R.A.C.E.S. eins-siebensechs.« Das war mir als Name zu lang, aber Grace klang doch ganz nett.
    Als Josh zu widersprechen anfing, ließ Grace die Hupe einmal tuten. Vollkommen bleich starrte Josh darauf. »Madison?«, fragte er leise.
    »Ja?«
    »Du bist tot?«
    Ich nickte. »Mmmhmm.«
    Er schluckte und klammerte sich mit beiden Händen am Lenkrad fest, während er durch den blaugetönten Rand der Scheibe zum Himmel hinaufsah. »Und das da sind keine Krähen?«
    Erschrocken erkannte ich die Schwarzflügel, die wieder am Horizont kreisten. »Nein«, sagte ich und Josh ließ die Stirn mit einem leisen Fomp auf das Lenkrad sinken.
    »Aber sonst geht's dir gut?«, fragte er seine Knie. »Weil ich das Amulett habe.« Ich hielt es ihm hin. »Und dir geht's gut, weil Ron mir einen Schutzengel dagelassen hat. Er versucht in der Zwischenzeit, die Seraphim davon zu überzeugen, dass sie es mich behalten lassen.« Ich verrenkte mir fast den Hals, um mich umzusehen. »Kairos kennt die Resonanz deiner Aura vom Abschlussball, aber er kann sie nicht sehen, solange du bei mir bist. Vielleicht sollten wir aber trotzdem zusehen, dass wir, na ja, hier wegkommen.« Wortlos sah Josh sich um und legte den Gang wieder ein. Über Seitenstraßen durchquerten wir die Stadt. »Hmmm«, fing ich unsicher an, »willst du mit zu mir kommen, auf ein Sandwich?«
    »K…klar.«
    Ich leckte mir die Lippen. Er bog links ab auf den Highway, ein Umweg rüber zur anderen Seite der Stadt. Sein traumatisiertes Gesicht gefiel mir gar nicht. Ich wusste, wie es war, wenn der Tod einem zu nahe kam, wenn man sich darüber klar wurde, dass man sterben könnte. Je nach Laune von irgendetwas, dem es so oder so ganz egal war.
    »Tut mir leid, dass du da reingezogen wurdest«, entschuldigte ich mich und dachte an Joshs Stimme, als er an jenem Abend die Schlucht hinuntergeklettert war. Als er versuchte, zu mir zu kommen, sogar als Kairos meinen Lebensfaden schon durchgeschnitten hatte. »Du warst da. Es war kein Traum. Und ich möchte dir dafür danken. Deinetwegen musste ich nicht allein sterben.«

5
    Josh saß nervös an unserem rechteckigen Küchentisch, die Beine vor sich ausgestreckt. Er hatte sich zwei Sandwiches gemacht, aus denen der Schinken nur so herausquoll. Er trank seine Cola mit Eis und stopfte sich Chips mit Barbecuegeschmack in den Mund. Vor mir standen nur ein kleines Sandwich, eine Handvoll Chips und ein Glas Eistee. Neidisch sah ich zu, wie er sein halbes Glas mit nur einem Schluck hinunterstürzte. Seit bei mir Strg/Alt/Entf gedrückt worden war, hatte ich einfach keinen Hunger mehr. So langsam gingen mir echt die Ausreden für meinen Dad aus, warum ich schon wieder nichts aß. Die Küche war noch nie renoviert worden und die cremefarbenen Wände und die weiß-gelben Fliesen über der Spüle sahen altbacken aus. Die braunen Schränke waren total aus der Mode und den Kühlschrank kannte ich noch aus der Zeit, bevor meine Eltern sich getrennt hatten. Allerdings thronte in einer Ecke eine hypermoderne Kaffeemaschine mit allem technischen Pipapo, die zeigte, wo mein Dad seine Prioritäten setzte. Dann waren da noch ein kleines Drehtablett mit Servietten, Salz und Pfeffer und ein verstaubter Aschenbecher, der genau da stand, wo er sich auch in der Küche meiner Mom befinden würde - ihr flüsterndes Echo, das noch immer im Leben meines Dads widerhallte, obwohl sie schon seit Jahren nicht mehr hier wohnte.
    Josh warf einen skeptischen Blick auf mein Sandwich, als ich mich ihm gegenübersetzte. »Wie, mehr willst du nicht essen?«, fragte er. Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ich schlafe auch nicht viel«, erklärte ich, während ich mit einem Chip herumspielte und überlegte, ob Grace, die gerade in der Deckenlampe saß und Limericks vor sich hin trällerte, wohl überhaupt jemals aß. Barnabas jedenfalls tat es nicht. »Und das Nachtprogramm wird nach ein paar Monaten auch langweilig.«
    Nachts fernsehen, ungestört im Internet surfen, an die Decke starren, wenn Barnabas wieder weg war … alles nicht der Hit, wenn man niemanden hatte, dem man davon erzählen konnte. Die Informationen, die ich mir im Internet zum Thema Aura zusammengesucht hatte, hatten mich auch nicht weitergebracht. Genauso wenig wie das, was ich über Engel gefunden hatte. Barnabas hatte sich so

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