Totgekuesste leben laenger
musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. »Guten Tag, Sir«, sagte Josh und streckte die Hand aus. »Ich bin Josh Daniels.« Dad starrte ihn verwirrt an, bis er erkannte, wen er da vor sich hatte: »Ach so! Marks Sohn. Du siehst genauso aus wie er. Schön, dich kennenzulernen.« Dann zog er plötzlich die Hand zurück. »Du bist doch der Kerl, der Madison auf dem Abschlussball sitzen gelassen hat!«
O nein, Dads Beschützerinstinkt war geweckt. »Dad!«, protestierte ich, peinlich berührt. »Er hat mich nicht sitzen lassen. Ich bin diejenige, die abgehauen ist, als mir klarwurde, dass du uns verkuppelt hattest. Josh hat sich benommen wie ein echter Gentleman. Und jetzt hab ich ihn zum Mittagessen eingeladen, um mich zu entschuldigen.«
Josh trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen, doch mein Dad war schon wieder ganz gut gelaunt, wie eigentlich meistens. »Und ich dachte, er wäre hier, weil dein Fahrrad einen Platten hat und du jemanden brauchtest, der dich mitnimmt«, erwiderte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
Ich blinzelte. »W…woher weißt du das denn?«, stammelte ich.
Dad legte mir die Hand auf die Schulter und drückte mich einmal kurz, bevor er zum Anrufbeantworter ging. »Die vom Fahrradladen haben mich angerufen.« Mein Mund öffnete sich zu einem O, als mir wieder einfiel dass ich mein Rad dort stehen gelassen hatte. »Ach. Ja. Hörmal -«
»Sie haben die Registriernummer in den Computer eingegeben und der hat meinen Namen ausgespuckt«, erklärte mein Dad. »Warum rufst du denn nicht an? Ich versuche seit einer Stunde, dich zu erreichen. Hab sogar bei Flower Bower angerufen, um zu fragen, ob du trotz deinem freien Tag da bist. Schließlich ist mir nichts anderes übrig geblieben, als nach Hause zu fahren.«
Verlegen zuckte ich mit den Schultern. In dem ganzen Chaos heute hatte ich total vergessen, mal einen Blick auf mein Handy zu werfen. »Äh ja, 'tschuldigung, meine Karte ist leer«, log ich. »Josh hat mich im Auto mitgenommen.« Mein Dad machte mich ganz nervös mit seiner gerunzelten Stirn. »Und da hab ich ihn eben zum Mittagessen eingeladen.« Was faselte ich da eigentlich für einen Mist? Am besten hielt ich einfach den Mund.
Dad konnte ein leises, missbilligendes Schnauben nicht unterdrücken. »Kommst du mal kurz mit?« Bevor ich etwas erwidern konnte, marschierte er schon voraus durch den zweiten Türbogen ins Esszimmer, das nie benutzt wurde. »Bin gleich wieder da«, entschuldigte ich mich seufzend bei Josh und folgte Dad widerstrebend. Er hatte das Esszimmer schon durchquert und stand genau in dem einen Fleckchen Sonne, das es bis ins Wohnzimmer schaffte. Es fiel auf die Wand, an der er ein paar von den Fotos aufgehängt hatte, die ich letzten Monat beim Heißluftballonfestival gemacht hatte. Dad hatte mir sogar eine Fahrt in so einem Ding spendiert und auf einem der Bilder sah man die ganze Altstadt, malerisch eingerahmt durch den Fluss.
Genau wie in der Küche war auch im Wohnzimmer noch der Einfluss meiner Mutter zu spüren, von den Glastischen über die Wildledercouchgarnitur bis zur Art-déco-Skulptur in der Ecke. Entweder hatten meine Eltern einen sehr ähnlichen Geschmack, was Inneneinrichtung anging, oder mein Dad lebte in der Vergangenheit und umgab sich mit Erinnerungen an meine Mom. Fotos gab es allerdings keine. »Dad -«, setzte ich an, aber er ließ mir gar keine Gelegenheit, irgendwas zu erklären.
»Stopp!«, unterbrach er mich mit erhobener Hand. »Was hatten wir zum Thema Gäste vereinbart?« Ich holte Luft und sprudelte dann hervor: »Tut mir leid. Aber das ist doch nur Josh. Du wolltest mich immerhin mit ihm verkuppeln, also dachte ich mir, das geht in Ordnung. Wir haben nur ein Sandwich zusammen gegessen.« Meine Stimme klang so weinerlich, wie ich das hasste.
»Es geht ja auch nicht um das Sandwich, sondern darum, dass du hier mit ihm allein bist.«
»Da-had«, jammerte ich, »ich bin siebzehn.« Seine Augenbrauen hoben sich. »Was hatten wir vereinbart?«, bohrte er. Ich sackte in mich zusammen. »Ich hab versprochen zu fragen, bevor ich jemanden einlade«, murmelte ich. »Tut mir leid, ich hab's vergessen.«
Sofort wurde er weich und legte mir den Arm um die Schultern. Dad konnte mir einfach nicht lange böse sein, besonders nicht, wenn es so aussah, als würde ich endlich anfangen, Freundschaften zu schließen. »Anscheinend hast du heute ja so einiges vergessen«, sagte er und ließ mich los. »Zum Beispiel dein Fahrrad, was? Madison,
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