Totgekuesste leben laenger
wahrscheinlich sowieso tot. »Einer von den beiden sollte mittlerweile wieder hier sein. Ob da irgendwas passiert ist?«
»Nichts ist passiert«, flötete Grace aus ihrer Lampe. »Wenn man da oben Hausverbot hat, dauert es eben eine Weile, bis einen ein Seraph vor der Himmelspforte bemerkt.«
»Ich fühl mich so hilflos!«, jammerte ich.
»Hilflos? Wer ist hier hilflos?«, grummelte Grace, ihr dünnes Stimmchen wurde lauter, als sie auf dem Tisch landete. »Ich weiß noch nicht mal, was ich hier eigentlich soll. Barnabas könnte dich viel besser beschützen als ich. Warum Ron ihn mitgenommen hat, ist mir echt ein Rätsel.«
»Du machst das großartig«, entgegnete ich und verdrehte die Augen Richtung Josh, der mich irritiert anstarrte, weil er nur die eine Hälfte der Unterhaltung hören konnte. »Ich hab echt einen Riesenschiss gekriegt, als du Kairos mit dieser Ampel ausgebremst hast. Das war aber locker Zweite-Sphäre-Niveau.« Josh lächelte und verputzte den Rest seines Sandwichs. »Ich hatte auch Riesenschiss. Danke fürs Retten übrigens.«
Das Leuchten ihrer Flügel wurde heller. »Ganz schön clever von mir, was?«
Ich nickte und stand auf, um die leeren Teller in die Spüle zu räumen. Grace hatte recht - warum hatte Ron ausgerechnet Barnabas mitgenommen? Es kam mir fast so vor, als wollte er nicht mehr, dass der Engel bei mir war.
Josh trank einen Schluck, wobei das Eis überschwappte. Er wurde rot und wischte sich übers Kinn. »Ich will auch keinen Hausarrest«, sagte er. »Es muss doch irgendwas geben, was wir von jetzt bis halb sieben unternehmen können.«
»Du meinst zum Beispiel einen Plan austüfteln, wie wir Kairos loswerden?«, erwiderte ich und spülte die Teller ab. »Klar, als könnte ich's mit dem König der schwarzen Engel aufnehmen.« Ich trocknete mir die Hände ab. »Eigentlich gar keine schlechte Idee. Wenn ich ihm sein neues Amulett klauen würde, könnte er nicht in den Zeitfluss eingreifen, bis er sich ein neues gemacht hätte. Erst mal müsste er abhauen. Er hätte dann nämlich auch kein Schwert mehr.«
Als ich mich umdrehte, sah ich Joshs verwirrten Gesichtsausdruck. »Kann er sich nicht einfach ein Amulett von einem seiner schwarzen Engel leihen?« Ich musste lächeln, als mir klar wurde, dass ich gerade von einem »Zeitfluss« geredet hatte und Josh immer noch dasaß und mir zuhörte. »Nein, Kairos kann das Amulett eines Todesengels zwar berühren«, erklärte ich und hatte dabei Ron vor Augen, wie er Barnabas' Amulett in der Hand hielt, »aber benutzen kann er es nicht. Ron kann das auch nicht.« Ich verstummte, als ich an Nakitas Amulett dachte, das in genau demselben Farbton aufgeleuchtet hatte wie der Stein an ihrem Schwert. »Wahrscheinlich ist es keine so gute Idee, wenn ich ihm zu nahe komme. Dann nimmt er mich wahrscheinlich mit. Und wenn du versuchst, es ihm wegzunehmen, dann senst er dich einfach. Aber irgendetwas müssen wir doch unternehmen!«
Mein Fuß fing an, nervös zu wippen, doch Josh schob nur ruhig seine Brille hoch und aß einen Chip. Ich konnte sehen, dass ihm seine Angst peinlich war. Aber immerhin unterhielten wir uns hier auch über den leibhaftigen Sensenmann, der da draußen umging, und das sollte eigentlich noch nicht mal sein Problem sein. Sondern meins.
»Du kannst also kein Engel-Amulett benutzen, aber das von Kairos schon?«, fragte er mit vollem Mund »Was ist denn an seinem so besonders?«
»Ähm, das liegt wohl daran, dass Kairos kein Engel ist sondern ein Zeitwächter«, erklärte ich, ermutigt dadurch, dass er den »Zeitfluss« einfach so hingenommenhatte. »Und Zeitwächter sind Menschen. Ich glaube, für die gibt's das Göttliche nur in verdünnter Form oder so.«
»Ein Zeitwächter«, wiederholte Josh leise und wandte sich dann, anscheinend zufrieden, wieder seinen Chips zu. »Da hast du ja Glück gehabt, dass du keinem Engeldas Amulett geklaut hast.«
»Ja, so ein Glück aber auch«, stimmte ich beklommen zu. Dass Kairos zurückgekommen war, um meine Seelezu holen, war ja schon unheimlich genug, aber warum hatte er mich überhaupt ausgewählt? Wie würde mein Tod ihm den Weg in eine »höhere Ordnung« ermöglichen, wie er es an dem Abend ausgedrückt hatte, als er mich tötete? War es mir vielleicht vorbestimmt, etwas so furchtbar Falsches zu tun, dass ich eine Gefahr für die Engel darstellte? »Vielleicht reicht es nicht, bloß ein Mensch zu sein, um dieses Ding zu benutzen. Ich krieg damit jedenfalls nichts auf die
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