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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Madison!«, stieß Josh flüsternd hervor. »Du bist weg!« Er stockte. »Bist du … noch da? Ich glaub's einfach nicht.«
    Ich konzentrierte mich und zertrennte eine ordentliche Anzahl Fäden, die gerade von der Zukunft zur Gegenwart wechselten. Dabei achtete ich darauf, noch genügend übrig zu lassen, die mich voranzogen. »Ich bin hier«, antwortete ich. Ich fühlte, wie sich meine Lippen bewegten, und hörte meine Worte, als wäre ich weit weg. Dann sah ich Josh an, was mir mit wachsender Übung immer leichter fiel. Sein Blick wanderte suchend umher, schien sich aber hauptsächlich auf die Sitzbank hinter mir zu konzentrieren.
    »Wahnsinn«, sagte er und lehnte sich zurück. »Ich kann dich kaum hören. Du klingst echt gruselig. Als ob du ins Telefon flüstern würdest oder so.«
    Ein hohes Summen an meinem Ohr sagte mir, dass Grace nicht mehr in der Glocke bei der Kasse saß. Ich wandte mich dem hellen Licht zu, das hektisch durch unsere Sitzecke schwirrte, und mein Mund klappte auf. »Ich kann dich sehen«, flüsterte ich. »Mein Gott, bist du schön.«
    Sie war winzig, nur ihr Leuchten ließ sie baseballgroß wirken. Sie hatte dunkle Haut und ein zartes, spitzes Gesicht. Ein goldener Schimmer umgab sie und verwischte ihre Konturen, ganz besonders, wenn sie sich bewegte. Ich konnte nicht sagen, ob es eine Art Stoff oder Nebel war. Das verschwommene Glühen, das ich schon kannte, entstand durch ihren Flügelschlag.
    Sofort verharrte der winzige Engel in der Luft und konzentrierte sich auf meine Stimme. Überrascht blinzelte sie, ihre Augen leuchteten hell wie die Sonne. »Ich hab deinen Gesang verloren, Madison«, sagte sie. »Ich konnte deine Seele nicht mehr hören. Was immer du da machst, hör sofort auf damit. Ich kann dich nicht sehen.«
    Es funktioniert!, jubelte ich innerlich. Wenn mein eigener Schutzengel mich nicht sehen konnte, dann galt das auch für Todesengel und Zeitwächter. »Ich bin unsichtbar«, erklärte ich und bestaunte sie weiter.
    »Das sehe ich«, gab sie schnippisch zurück und schwirrte aufgebracht hin und her. »Und jetzt hör auf damit. Irgendwas stimmt hier nicht. Ich kann deine Seele fast nicht mehr singen hören. Wenn ich dich nicht sehen kann, kann ich dich auch nicht beschützen.«
    Als ich den Arm hob, entdeckte ich, dass er nun einen glänzenden weißen Umriss hatte, ungefähr so, wie die Schwarzflügel an den Rändern aussahen. Neugierig versuchte ich, mein Glas hochzuheben. Die Kälte aus der Limo schoss mir direkt in die Knochen und ich zitterte. Außerdem konnte ich meine Finger nicht mehr eng genug um das Glas schließen, um es festzuhalten. Ich fragte mich, warum ich dann hier sitzen konnte, ohne durch die Bank zu fallen. Schließlich gelang es mir, die zusammengeknüllte Strohhalmhülle zu verschieben. Offenbar besaß ich genügend Substanz, um einen gewissen Einfluss auf die Außenwelt auszuüben, aber weit her war es damit nicht. Ein Spaziergang bei Sturm wäre wohl keine so gute Idee. Oder lernte man so fliegen?
    »Madison, bist du noch da?«, raunte Josh mir zu. »Ja», antwortete ich und ließ diesmal ein paar Fäden mehr übrig, als die Zukunft sich zur Gegenwart wandelte. Grace seufzte erleichtert auf und Josh sah mir direkt in die Augen.
    »Verdammt!«, flüsterte er. »Ich kann dich sehen, irgendwie zumindest. O Mann, Madison, das ist echt irre. Kann ich dich anfassen?«
    »Ich würd's nicht machen«, warnte Grace, die über dem Tisch schwebte, doch ich zog nur die Schultern hoch. Josh streckte die Hand aus, bis seine Finger mein Handgelenk berührten. Wir fuhren beide zusammen, so schaurig war das Gefühl. Seine Finger schienen mich zu verbrennen und wir zuckten gleichzeitig zurück.
    »Kalt«, sagte er und ließ die Hand wie zum Schutz unter dem Tisch verschwinden.
    »Hörst du mich jetzt besser?«, fragte ich. Er nickte. Das war mit Sicherheit das Abgefahrenste, was ich je gemacht hatte. Mittlerweile ging es beinahe wie von selbst, die Fäden des Amuletts in dem Augenblick zu durchtrennen, in dem sie sich von der Zukunft zur Gegenwart wandelten. So, wie wenn man bei leiser Musik mitsummte, während man Hausaufgaben machte. Ich hatte es geschafft. Ich war endlich weitergekommen und die Erleichterung darüber war so groß, dass mir beinahe die Tränen kamen. »Super«, lobte Josh und lächelte, als ich mich, sehr zu Graces Missfallen, wieder komplett unsichtbar machte. »Wenn du das hinkriegst, kannst du dir dieses Amulett auf jeden Fall schnappen.«
    Ich

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