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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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hässlichen Gewirr anlangte - meinem Tod, als hätten Raum oder Zeit dort einen Knoten geknüpft, um die Lücke zu schließen, als eine Seele aus ihnen herausgeschnitten wurde.
    Es war, als würden die Erinnerungen anderer Menschen die Dunkelheit genau an der Stelle bündeln, an der ich sie zurückgelassen hatte. So, als ob sie ihr den Geist einer Gestalt verliehen, die urplötzlich wieder zu existieren begann, nachdem ich mir das Amulett geschnappt hatte. Jetzt aber benutzte die Zeit nicht mehr meinen Körper, um meine Seele zu finden und sie vorzutragen, sondern das Amulett, das ich Kairos gestohlen hatte. Seine Farbe oder vielleicht eher sein Klang war nun anders. Bis zu meinem Tod war es dunkelblau gewesen, dann hatte es sich abrupt zu einem so dunklen Violett gewandelt, dass es beinahe ultraviolett war. Genau wie das von Nakita.
    Meine Aura. Als ich das kapierte, hätte ich am liebsten alles stehen und liegen gelassen und versucht, Barnabas' Gedanken zu kontaktieren. Mir lief ein Schauder über den Rücken, als mir klar wurde, dass ich meiner Seele gerade dabei zusah, wie sie Gedankenstränge in die Zukunft auswarf. Gedanken bewegten sich schneller als die Zeit. Ich konnte die violetten Linien, die sich von mir in die Zukunft ausdehnten und mich gemeinsam mit dem restlichen Universum vorwärtszogen, deutlich sehen. Und was das alles möglich machte, was den Linien von meinem Tod an eine Farbe verlieh, war das Amulett. Es gab der Zeit etwas, woran sie sich festhalten konnte.
    Und wenn ich es nun schaffte, einige dieser Linien, die das Amulett mit der Gegenwart verbanden, zu durchtrennen, würde ich vielleicht unsichtbar. So, wie ich es gewesen war, als ich im Leichenschauhaus vor Barnabas geflohen war. Beinahe, als würde ich den Stein gar nicht tragen, obwohl er unverändert um meinen Hals hing.
    Ich zitterte vor Aufregung. Kurz vergewisserte ich mich, dass ich immer noch bei Josh saß und nichts weiter passiert war. Es musste einfach funktionieren. Die Zeit wurde knapp. Ich würde nicht alle Fäden kappen können - nur ein paar - und keine von den Linien, die mich in die Zukunft zogen. Nur diejenigen, die mich an diesen Moment, genau diese Sekunde, banden.
    Langsam - und völlig unnötigerweise - holte ich Luft und zertrennte beim Ausatmen einen der Fäden, die mich mit der Gegenwart verbanden. Er teilte sich wie ein Spinnenfaden, und als er entzweiriss, erklang ein leises Summen in meinem Kopf. Ermutigt fuhr ich in Gedanken mit der Hand zwischen die Gegenwart und mich, um einen breiteren Streifen zu durchtrennen. Das Rumoren aus dem Snake Pit schien in mir widerzuhallen. In meiner Vorstellung konnte ich das Geräusch fast sehen, wie es in Wellen in mich hineinundwieder hinausflutete, um sich dann an der anderen Seite der Sitznische zu brechen.
    »Madison?«, hörte ich Josh sagen. Jäh schlug ich die Augen wieder auf Ich starrte auf den Tisch, meine Fingerkribbelten. »Es funktioniert«, flüsterte er ehrfürchtig.
    Ich schnappte nach Luft, als wäre ich gerade aus tiefstem Wasser aufgetaucht. Mein Kopf fuhr ruckartig hoch, entgeistert starrte ich Josh an. Die Geräusche der Skater wurden wieder wirklich und die Schallwellen hallten nur noch in meinem Kopf nach. Mein Herz hämmerte und mir war ganz schwummrig, fast, als wäre ich noch am Leben.
    Josh sah mich mit weit aufgerissenen blauen Augen an. »Es hat funktioniert!«, wiederholte er und beugte sich über seinen Pommesteller zu mir herüber. »Jetzt bist du wieder da, aber eben konnte ich die Sitzbank hinter dir sehen!« Schnell blickte er sich um, ob es irgendjemand bemerkt hatte. »Das war das Abgefahrenste, was ich je gesehen hab. Mach's noch mal!«
    Erleichtert setzte ich mich auf dem steifen Sitzkissen zurecht. »Okay, los geht's.« Nervös legte ich die Hände flach auf den Tisch und versuchte, den Zustand noch einmal herbeizuführen, diesmal mit offenen Augen. Ich starrte den Himmel an. Mein Blickfeld verschwamm. Ich ließ mich in meine Gedanken fallen. Die Präsenz des Steins war überall in meiner näheren Vergangenheit zu spüren, sie webte ein Netz, um jeden einzelnen Augenblick in der Zeit mit den anderen zu verknüpfen. Jetzt war es schon einfacher. Ich fuhr mit einem Gedankenfinger in das neue violette Netz, ließ es zusammenschrumpfen und von mir abfallen. Die Geräusche um mich herum wurden hohl und ich hatte das unangenehme Gefühl, mich aufzulösen. Mein Herzklopfen, auch wenn es nur eine Erinnerung war, verschwand.
    »Ach du Scheiße,

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