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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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zarte Spinnennetz, das ihn mit dem Kosmos verband. Sofort löste sich der Knoten in meinem Magen. Die Fäden waren klar zu erkennen, wie sie mich mit der Gegenwart verbanden, während die Zukunft ins Jetzt hinüberglitt. So schnell, wie die Sonne über den Himmel huschte, warfen meine Gedanken neue Fäden aus und zogen mich gemeinsam mit dem Rest der Welt voran. Ich hatte nichts kaputt gemacht.
    »Aber warum kann ich dann durch mich durchgucken?«, flüsterte ich. Nach und nach wich meine Panik einer tieferen Besorgnis und ich öffnete das Bild von meinen Schuhen auf dem Laptop. Ich hatte sie angehabt, als ich das Foto machte. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, etwas zu erkennen, aber das bisschen, was ich von meinen Knöcheln sah, schien normal. Erleichtert ließ ich beide Bilder im Papierkorb verschwinden und löschte dessen Inhalt sofort. Dann ging Wendy eben leer aus. Ich schwor mir, mich nie wieder von irgendwem fotografieren zu lassen.
    Ein Auto war zu hören, das in unserer stillen Wohngegend die Straße heraufkam. Ich lehnte mich aus dem Fenster und musste lächeln, als ich Joshs alten blauen Pick-up sah.
    Er war hier. Endlich.
    Hastig entstöpselte ich meine Kamera und schnappte mir mein Portemonnaie. Um sicherzugehen, dass ich mein Handy dabeihatte, klatschte ich mit der flachen Hand auf meine hintere Rocktasche, dann flitzte ich runter in den Flur. Bitte, bitte, bitte, lass meinen Dad nicht wissen, dass ich heute Morgen nicht da war. Unser ganzes Vorhaben könnte in diesem Moment sehr plötzlich und mit fies quietschenden Reifen zum Stillstand kommen.
    »Madison?«, schallte Dads Stimme schwach von unten hoch. »Josh ist da!«
    Er klang nicht wütend und ich atmete auf. »Komme sofort!«, rief ich und hüpfte erleichtert die Treppe hinunter. Unten an der Haustür stand Dad und wartete. In seinen Jeans und dem leichten Freizeithemd sah er direkt lässig aus. Er lächelte. Ich hatte es mal wieder geschafft, wenn auch nur um Haaresbreite.
    »Vergiss den Drucker nicht«, erinnerte er mich und reichte mir eine kleine Kameratasche. »Hier drin sind noch mehr Papier und Tinte«, sagte er und ich schob mir mit schlechtem Gewissen den Tragegurt über die Schulter. »Damit kannst du so viele Bilder machen, wie du willst.«
    »Mein Gott, Dad«, entgegnete ich, nachdem ich einen Blick hineingeworfen hatte. »Denkst du, jeder da will zwanzig Bilder von sich haben?« Wie sollte ich ihm bloß erklären, warum ich das alles nicht benutzt hatte? Doch ich musste Kairos jetzt gegenübertreten, ob es Grace nun gefiel oder nicht. Wenn sie wirklich glaubte, dass ich in Gefahr schwebte, dann musste sie eben Ron rufen.
    »Ich kenn dich doch«, widersprach Dad. »Wenn du erst mal eine Kamera in die Finger kriegst, kannst du dich nicht zurückhalten. Sieh's als Spende für das Fest. Ich kann's sogar von der Steuer absetzen!«, sagte er und sein Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen, das sein langes Gesicht irgendwie richtig erhellte. »Außerdem mag ich deine Fotos«, fuhr er fort und umarmte mich zum Abschied. »Und alle anderen mit Sicherheit auch. Gut siehst du aus. Du hattest recht, lila ist wirklich deine Farbe.« Als er nach draußen auf Joshs Pick-up blickte, wurde sein Gesicht nachdenklich. »Du hast dich doch nicht mit Barnabas gestritten, oder?«
    Abrupt blieb ich stehen. Auch das noch. »Dad, ich hab's dir doch gesagt, Barnabas und ich sind bloß Freunde.«
    »Dafür, dass er nur ein Freund sein soll, ist er aber ganz schön oft hier«, gab Dad zu bedenken. »Er ist nur ein Freund«, wiederholte ich standhaft. »Und das weiß er auch. Heute machen eben Josh und ich was zusammen. Das ist doch nichts Wildes. Hoffentlich kommt Barnabas auch, dann können wir alle zusammen aufs Schulfest.«
    Er nickte und legte mir die Hand auf die Schulter. »Na, hört sich ja an, als hättest du alles unter Kontrolle«, sagte er und ich konnte gerade noch ein hysterisches Lachen unterdrücken. »Viel Spaß dann.« »Danke, den werd ich haben«, antwortete ich und meine Besorgnis und die Schuldgefühle wurden immer größer. Beinahe hörte ich schon Grace einen Limerick über das Mädchen verfassen, das gar nicht brav war und sich deswegen in ein Schaf verwandelte. »Danke, für den Drucker und so.« Ich war eine schreckliche Tochter. Doch er hatte schließlich gewusst, was ihm blühte, als meine Mom mich hierhin verbannt hatte - na ja, so ungefähr jedenfalls. Dad kam noch mit raus auf die Veranda, als Josh aus dem Auto

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