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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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stieg. »Morgen, Mr Avery«, rief er und winkte. Er trug Jeans und T-Shirt, aber hinten im Wagen sah ich seine Sporttasche - ein Requisit für die heutige Vorstellung, nahm ich an.
    Prüfend sah ich mich nach Schwarzflügeln um, dann stieg ich schnell in den Pick-up und knallte die Tür zu. Ich konnte es gar nicht erwarten, bis wir losfuhren. Die Harley-Hupe leuchtete und ich beugte mich beim Anschnallen vor. »Grace, findest du, dass ich okay aussehe?«, fragte ich und dachte an mein Foto. »Wirke ich irgendwie dünn? Durchsichtig, meine ich?« Das Sirren ihrer Flügel wurde deutlicher. »Nein«, antwortete sie und schwebte vor mir auf und ab. »Wieso?«
    Ich holte schon Luft, um es ihr zu erzählen, als Josh seine Tür öffnete. »Später.«
    Josh rutschte hinters Lenkrad und schlug die Tür zu. Er warf mir einen Seitenblick zu. »Na, schlechtes Gewissen?«, spöttelte er, als er mein besorgtes Gesicht sah.
    Ich zog eine Grimasse und verdrehte die Augen. »Josh« fing ich an und bemühte mich, möglichst lebenserfahren zu klingen, »wenn du wüsstest, was ich schon alles angestellt habe, während meine Mutter dachte, ich schlafe, dann würden dir die Haare so was von zu Berge stehen.« Er lachte und ich fügte hinzu: »Als ich Kairos zum ersten Mal getroffen habe, bin ich gestorben. Ich bin also ein bisschen nervös, okay?« Ich würde ihm bestimmt nicht erzählen, dass ich die ganze Nacht vor seinem Haus verbracht hatte, nachdem er eingeschlafen war. Der arme Junge hatte schließlich auch seinen Stolz.
    Josh wandte sich um und fuhr rückwärts auf die Straße hinaus. »Entschuldige«, murmelte er leise. Vorsichtig gab er Gas und hielt auf die Stadt zu, während ich meinem Dad zuwinkte, der immer noch auf der Veranda stand. O Mann, ging das vielleicht noch ein bisschen peinlicher?
    »Hey, danke für die SMS heute Morgen«, sagte ich. »Ungefähr bei Sonnenaufgang hab ich einen Schwarzflügel gesehen. Und du?«
    »Nichts.« Stirnrunzelnd schob er seine Brille hoch und drehte ab in Richtung Rosewood Park. »Ich bin froh, dass wir die kleine Atempause hatten, aber nun müssen wir uns unbedingt Kairos' Amulett holen. Ich halt es echt nicht länger aus mit Grace.«
    »Im Ernst?«, wunderte ich mich und der Engel schnaubte verärgert.
    »Gestern Abend ist mir beim Duschen das heiße Wasser ausgegangen und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das war«, erzählte er. »Das Internet hat auch nicht funktioniert. Und mein Bruder hat sich die ganze verdammte Nacht immer wieder den Zeh gestoßen. Madison, sie treibt mich noch in den Wahnsinn.« Aus der Harley-Hupe drang ein glöckchenhelles Lachen. »Josh hätte sich nur an der Rasierklinge geschnitten, weil er sich ohne Spiegel unter der Dusche rasieren wollte und sein Bruder hatte was Unanständiges vor, deshalb hab ich die Verbindung zum Internet unterbrochen. Und für jedes Mal, das er geflucht hat, musste er sich leider den Zeh stoßen.« Ich blickte auf den goldenen Schimmer, der die sanft hin und her schaukelnde Hupe umgab. Josh hatte sich rasiert? Ich presste die Lippen zusammen, als ich daran dachte, wie die Ampel umgekippt war. Offenbar war es Grace egal, wenn sie totales Chaos verursachte, solange es nicht so schlimm war wie der Ärger, den sie damit zu verhindern glaubte. »Letzte Nacht ist nichts passiert, Grace«, beruhigte ich sie. »Und bis heute Mittag ist alles vorbei.« Ich dachte an mein Foto und an die Schwarzflügel und holte tief Luft, die ich gar nicht brauchte. »Josh geht's gut und das wäre nicht so, wenn du nicht bei ihm geblieben wärst. Ist das kein gutes Gefühl?«
    »Doooooch«, antwortete sie gedehnt und etwas zu selbstgefällig, als dass es mich beruhigt hätte. Ich wandte mich wieder Josh zu. »Aus irgendeinem Grund ist sie unheimlich zufrieden mit sich«, warnte ich ihn.
    »Na großartig«, stöhnte er. »Grace«, sagte Josh und wirkte beim Reden mit der Luft schon viel unbefangener als noch am vorigen Abend, »ganz egal, ob uns auf dem Weg zum Park ein Reifen platzt, wir ziehen das trotzdem durch. Dann allerdings auf der Straße statt in einer netten kleinen stillen Ecke, in der niemand anderes verletzt wird, wenn das Ganze schiefläuft.«
    Die Hupe schaukelte sacht hin und her. »Hier läuft schon nichts schief«, schnurrte sie beinahe. »Das gefällt mir gar nicht«, murrte ich. Mein Unbehagen wuchs, je näher wir dem Park kamen und je mehr Autos ich dort sah. Eltern überquerten mit ihren Kindern die Straße, alle ganz nervös wegen des

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