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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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Gott, wenn mich jemand reden hörte … »Stimmt.« Miss Cartwright lächelte über ein Foto von einem Kleinbus, durch dessen offene Hintertüren man sah, dass er bis obenhin mit noch nicht ausgelieferten Zeitungen vollgestopft war. »Du hast wirklich einen Blick für Komposition, du siehst, worauf es ankommt. Das, was wir verpassen, wenn wir nicht ab und zu mal etwas langsamer machen.«
    Ein weiteres Foto schob sich aus dem Drucker und ich legte es auf den Tisch. »Danke. An meiner alten Schule war ich in der Foto-AG. Anscheinend hab ich doch mehr gelernt als ich dachte.«
    Miss Cartwright guckte interessiert. »In meinem Kurs bist du aber nicht, oder? Warum denn nicht? Du hast wirklich ein Auge für so was.«
    Sie leitet den Fotografie-Kurs? »Ähm, keine Ahnung« gab ich, plötzlich nervös, zurück.
    Mit gerunzelter Stirn legte sie das Bild von Mrs Hall wieder hin. »O nein, du bist doch nicht etwa so eine oder?«, stöhnte sie. Ich starrte sie verständnislos an. »Du willst nicht als Streberin abgestempelt werden, also färbst du dir die Haare lila und hältst dich von allem fern, was dich als clever entlarven könnte.« »Nein«, leugnete ich rasch, aber sie zog bloß ein wissendes Gesicht und ich verdrehte die Augen zur verstaubten Decke. »Foto-Kurs, das ist beinahe so schlimm wie der Schachclub«, verteidigte ich mich. Sie lachte und nahm das nächste Foto aus dem Drucker. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Foto-AG an meiner alten Schule mir nicht gerade zu mehr Beliebtheit verholfen hatte. Und hier würde das auch nicht anders sein. Aber wollte ich denn überhaupt zu der Clique gehören?
    »Denk noch mal drüber nach, Madison«, sagte sie und betrachtete ein weiteres Foto. »Ich finde, du hast Talent. Ich hab mir deine Bilder angesehen. Du fängst das Leben auf einzigartig schöne Weise ein; auch das Hässliche wird dabei schön. Einen solchen Blick, den – Achtung, Wortspiel -, den entwickelt man nicht mal eben so. Wenn du dich anstrengst, könntest du vielleicht sogar ein Stipendium bekommen.« Okay, ich war tot, aber das hieß offenbar nicht, dass ich nicht weiter zur Schule gehen und mir einen guten Job suchen musste. Wenn ich schon für immer leben musste, dann doch wenigstens in einem schönen Haus, statt irgendwo in der Gosse. »Meinen Sie wirklich?«, fragte ich sie. Konnte ich wirklich Geld mit etwas verdienen, das mir Spaß machte? Das wäre zu schön, um wahr zu sein.
    Miss Cartwright legte das Foto wieder hin. »Ich rede mal mit dem Beratungslehrer und gucke, ob ich nicht einen Platz in meinem Fortgeschrittenenkurs für dich finde«, lenkte Miss Cartwright meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Du kommst doch jetzt in die Abschlussklasse, oder?«
    Mir lief ein Schauder über den Rücken. Abschlussklasse, das klang gut. »Okay«, willigte ich ein. »Sie haben mich überzeugt.«
    Ich selbst zu sein - mit lila Haaren, lauter Musik, tot und überhaupt -, machte mich eben einfach glücklicher, als jeder Versuch, mich den Amys dieser Welt anzupassen. Und dass Josh mich fallen lassen würde, nur weil ich nicht zur In-Clique gehörte, glaubte ich auch nicht. Nicht, dass es da zwischen uns irgendwas gab, was er beenden könnte. Sie nickte mir zu und bückte sich, um sich das Foto von Josh anzusehen, eines der ersten, die ich ausgedruckt hatte. »Noch eins von Josh?«, lächelte sie. »Wow, super. Hast du das von der Tribüne aus gemacht?« Ich nickte und sie murmelte: »Eine ruhige Hand. Schade nur, dass dieser Lichtreflex mit drauf ist. Komisch. So was kommt eigentlich gar nicht vor, wenn die Sonne in diesem Winkel steht.« Mit gerunzelter Stirn hielt sie sich das Bild dichter vor die Nase. »Aber irgendwie hat es was Beunruhigendes. Vielleicht, weil er die Augen so zukneift …« Ihre Schultern hoben und senkten sich. »Es kann auch an diesen Krähen im Hintergrund liegen. Meine Großmutter hat die Viecher immer von ihrem Dach verjagt. Sie hat Krähen gehasst.«
    Meine Gesichtszüge erstarrten. Krähen?
    Miss Cartwright legte das Foto weg. »Du hast deinen Job heute großartig gemacht, Madison«, sagte sie und lächelte mich an. »Die Leute haben fast alle mehr bezahlt, als wir verlangt haben. Du hast uns über zweihundert Dollar eingebracht.« Da waren doch keine Krähen an der Laufbahn gewesen, oder? Grace war die ganze Zeit bei Josh. Ich hatte sie doch gesehen. »Sogar mehr als das Planschbecken«, redete Miss Cartwright weiter. »Da wird Howard aber enttäuscht sein. Er ist sonst immer die

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