Totgekuesste leben laenger
gewesen.«
Ich richtete mich auf, unsicher, wie er sich entscheiden würde. »Hilfst du mir?«
Er stand auf; sein Mantel bauschte sich an den Knöcheln, als er die Füße aufsetzte. »Habe ich eine andere Wahl?«
Ich nickte eifrig. »Ich sehe eine Chance.« Und einen Weg, hier rauszukommen, bevor mein Dad und Joshs Eltern auftauchen.
Barnabas sah auf den Parkplatz hinaus, auf dem die Autos in der untergehenden Sonne lange Schatten waren. Er zog eine Grimasse. »Ich glaub's nicht, dass ich das hier tatsächlich mache«, seufzte er. »Du hilfst mir?«, keuchte ich, erschrocken und ermutigt zugleich.
»Das gibt einen Wahnsinnsärger«, murmelte er vor sich hin, während wir gemeinsam auf die Tür zugingen. »Ich kann dich an einen sicheren Ort bringen. Da kann Nakita dir nichts tun. Trotzdem glaube ich nicht, dass es irgendwas bringt.«
»Danke«, sagte ich und wir gingen mit entschlossenen Schritten durch die Tür. Mein Magen flatterte. Ich würde Nakita dazu bringen, Joshs Leben gegen einen lächerlichen Steinklumpen einzutauschen, und dann würde ich dasselbe mit Kairos machen - für mein Leben. Die sollten sich besser warm anziehen.
11
Als die grünen Wipfel des Walds näher kamen, spannte ich die Muskeln an und kniff die Augen fest zu. Ich wollte nicht zusehen müssen, wie Barnabas die Flügel über uns zusammenfaltete und durch eine kleine Lücke im Blätterdach hinunterstieß. Mein Magen rutschte ein Stück tiefer. Ein kurzes Rascheln, als der Wind durch die Blätter fuhr, dann wurde die Luft kühler. Ich schlug die Augen wieder auf, als er unter einer Baumkrone hindurchtauchte und scharf bremste, um auf einem bemoosten Baumstamm zu landen, der sofort auseinanderbrach.
Mein verheddertes Haar wehte mir ins Gesicht, als Barnabas die Flügel zurückschlug, um den Schwung abzufangen. Als ich mich umdrehte, stand er hinter dem Baumstamm. Die Flügel waren verschwunden und nun bedeckte der Mantel wieder seine schmalen Schultern. Vor Sorge waren seine Gesichtszüge angespannt, was selbst im Dämmerlicht deutlich zu erkennen war. Ich sah hinauf in die Wipfel. Die Bäume waren hoch, es gab fast kein Unterholz und der Lehmboden bildete ein weiches Polster unter meinen Füßen. Als ich die Arme um mich schlang, spürte ich die Feuchtigkeit des Waldes. Um uns herum erhoben sich Hügel ohne erkennbares Muster. Sie sahen aus wie … Gräber.
»Wo sind wir?«, fragte ich und stieg umständlich über den Baumstamm zu Barnabas hinüber.
»Das ist ein besonderer Ort«, erklärte er leise. »Normalerweise erzittert die Erde bei der Berührung eines Seraphen, aber es gibt ein paar Orte, an denen der Boden fest genug ist. Die Unsterblichen haben sie in der Vergangenheit genutzt, wenn sie auf der Erde zu tun hatten. In Übersee sind diese Kreise mit riesigen Steinen markiert. Bei uns, wo die Menschen bis zu ihrer Vertreibung im Einklang mit der Natur gelebt haben, gibt es stattdessen diese Hügel. Hier legten die Menschen Opfergeschenke für die Engel ab, damit sie in Frieden leben konnten.« Er wandte sich zu mir um. Plötzlich wirkte er so fremd, dass ich schauderte. »Das ist ein neutraler Ort. Wer hier Blut vergießt, ruft damit einen Seraphen herbei. Das wird Nakita nicht wollen.«
Meine Haut prickelte, als ich den Blick über den lichten Wald schweifen ließ. »Fühlt sich irgendwie komisch an.«
»Nicht wahr?«
Nichts war zu hören außer dem Wind in den höchsten Zweigen. »Wie lass ich Nakita wissen, dass ich mit ihr reden will?«
Barnabas entfernte sich schweigend von mir. Er ging gute fünf Meter weit weg, damit die Resonanz seines Amuletts sich nicht mit der von meinem vermischte. Den Blick auf den immer dunkler werdenden Himmel gerichtet, sagte er: »Ich könnte mir vorstellen, dass sie schon nach dir sucht. Ich hoffe, du bist dir wirklich ganz sicher.«
»Bin ich«, erwiderte ich selbstsicher, aber insgeheim machte ich mir Sorgen. Ich war schutzlos, meine Seele sang für die, die es hören konnten, laut und schallend wie eine Glocke, und bildete einen Lichtpunkt, dem Nakita folgen konnte. Meine Kiefer spannten sich an, als ein Schwarzflügel lautlos zwischen den Baumkronen hindurchglitt, aber dann erkannte ich, dass es doch nur eine Krähe war. Plötzlich fuhr ich zusammen. Da war irgendetwas.
Barnabas verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, ein Zweig zerbrach. »Ich spüre es auch«, flüsterte er.
Ich schluckte mühevoll. »Was ist das?«
Seine Augen wanderten langsam hin und her.
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