Totgelebt (German Edition)

Diskussion im Raum. Dann loggte sich Kurek wieder aus. „Menschen, die sich mit Selbstmordgedanken tragen, haben oftmals ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Information und Kommunikation, und da ist natürlich das Internet mit seiner gebotenen Anonymität ideal. Diesen Weg wählen vor allem jüngere Menschen. Sinnvoll sind eigentlich nur moderierte Foren, in denen zum Beispiel Psychologen die Gefährdeten beraten und Hilfe anbieten können. Das ist es im Großen und Ganzen. Das ist ein recht neues Thema. Da zu gibt es noch nicht so viele Studien und Erkenntnisse. Da kommt eine Menge Arbeit in den nächsten Jahren auf uns zu.“ Jetzt lächelte Kurek das erste Mal.
    Paula und Max hingegen wirkten wie erstarrt. „Das ist ja fast wie eine richtige Waffe“, sagte Paula, “man kann über diesen Weg Menschen wirklich in den Tod treiben.“ Sie sah Kurek an, als hoffe sie, dass er diese Vermutung entkräften würde . Doch er nickte nur. „Gibt es denn auch Statistiken darüber, w ie hoch die Selbstmordrate bei J ugendlichen insgesamt ist und demgegenüber gestellt, wie hoch die Selbstmordrate nach dem Besuch dieser Chats ist?“
    Dieses Mal schüttelte Kurek den Kopf. „Nein, wie gesagt, diese Dinge sind auch für uns noch alle Neuland. Statistisch gesehen nimmt sich in Deutschland ungefähr alle 47 Minuten ein Mensch das Leben. Interessant ist, dass Suizidenten ein Durchschnittsalter von ungefähr 55 Jahren haben, somit sind auch viele junge Menschen davon betroffen. Bei jungen Menschen ist der Selbstmord nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache. Das muss man sich mal vorstellen. Wir müssen uns auch erst mal orientieren, unseren Handlungsspielraum austesten, wo die juristischen Grenzen liegen, wo wir es mit gutem Willen versuchen müssen und so weiter. Wir sind gerade dabei mit der Jugendhilfe eine Arbeitsgruppe zu bilden. Das Thema ist sehr heiß.“ Er zog ein weiteres Blatt aus seinem riesigen Ordner und Max fragte sich, wie viele Blätter wohl noch darauf warteten, von Kurek präsentiert zu werden. „Laut einer Studie haben rund 10% der 12- bis 17jährigen Schüler und Schülerinnen hin und wieder Suizidgedanken , 3% davon versuchen sich das Leben zu nehmen. Als Hauptursachen werden Probleme mit der Familie, mit Freunden, in der Schule oder im Beruf genannt. Aus den Problemen wächst bei diesen Jugendlichen ein Gefühl der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit sowie Selbstwertkonflikte, sie fühlen sich nicht angenommen, nicht geliebt. Besonders betroffen sind Frauen zwischen 15 und 30 Jahren.“ Kurek sah auf, schob seinen Ordner etwas zur Seite, er signalisierte damit‚ mehr Informationen kann ich euch leider nicht liefern.
    Paula erhob sich, Kurek ebenfalls. „Wenn ihr mehr über die Sache habt, mehr Informationen über den Mann oder die Website, sagt mir Bescheid, dann gehen wir tiefer hinein.“ Paula nickte und brachte ihn zur Tür. Max hob nur seine Hand und nickte Kurek zu. Matt setzte sich Paula wieder an i hren Schreibtisch. Ihre Müdigkeit war zurückgekehrt. Sie schaute Max an, unfähig etwas zu sagen.
    Max schüttelte nur den Kopf. „Unfassbar, was?“, sagt er dann. „Aber, hey, das ist die richtige Spur, du bist ganz nah dran, das war ein klasse Einfall . Wie bist du darauf gekommen?“
    Während Paula vom Faxgerät das eingegangene F ax holte, sagte sie „Egal, ich hatte auf einmal die Verbindung. Aber was machen wir jetzt damit ? Im Grunde ist es doch wertlos. Wir kommen an dieser Stelle im Moment nicht weiter. Das sind die Akten zu den anderen beiden Fällen. Haben die Gespräche mit der Familie et was ergeben ?“ Sie legte Max die Faxseiten hin.
    „Ne, zumindest nichts neues. Ziemliche Zeitverschwendung. Die Sachen passen.“ Dabei überflog er die Seiten schnell. „Auch hier, das passt alles, wir müssen nur an den Kerl kommen. Scheiße. Wo setzen wir an? Wir müssen Freyberg übermorgen was liefern. Wir haben auch noch die Möglichkeit weitere Ressourcen zu nutzen, für die einzelnen Suizid-Websites zum Beispiel .“
    „Das bringt nichts, niemand kann Hunderte von Seiten beobachten und worauf soll man genau achten? Wir wissen doch gar nicht, wen wir suchen. Wir können mit dem, was wir haben ein Täterprofil erstellen lassen. Dann kommt morgen früh Erik Jansen zu uns. Er will uns was sagen, mal schauen was das gibt. Dann nehmen wir uns den Jungen auch noch mal zur Brust. Er weiß was, hundertprozentig. Ich möchte auch wissen, warum die kompletten Favoriten und der