Totgelebt (German Edition)
nervös. Was konnte Anne ihr erzählt haben ? Etwas ü ber die Probleme zwischen ihr und Paula? W arum spricht Anne nicht mit mir? Wut keimte in Paula auf. Dann kam ihr wieder Annes Satz in den Sinn „ Du stehst dir immer selbst im Weg “. Du weißt doch gar nicht, was die beiden besprochen haben. Ob sie überhaupt über mich miteinander gesprochen haben. Sie zwang sich ruhig zu sein. Sich keine Gedanken über etwas zu machen, bevor es überhaupt geschah. Ruhig, sie dachte an Fynn und versuchte das Gefühl der Ruhe wiederzugewinnen. „Die Arbeit ist im Moment hart, der Fall geht mir sehr nahe und es ist sehr viel Arbeit, lange und intensiv. Das macht mich einfach mürbe.“ Sie schaute ihre Schwester an. Sie hörte tatsächlich zu, sie wartete darauf, dass Paula fortfuhr. Diese bemerkte auf einmal, dass es gut tat, zu reden, einfach so. Ohne nachzudenken. „Und wir kommen nicht richtig weiter und vielleicht sucht der Täter schon nach einem neuen Opfer. Na ja, es läuft im Moment nicht so richtig rund. Ich könnte gut ein bisschen Ruhe gebrauchen. Urlaub, vielleicht und Entspannung. Einfach g anz weit weg.“ Sie grinste, nahm einen Schluck Kaffee und sah ihre Schwester an. Diese hörte immer noch zu. Versuchte gar nicht, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, versuchte nicht, das Gespräch an sich zu reißen, von sich zu erzählen und alle anderen zu ignorieren. Sie drängte sie nicht, sie war nicht fordernd, sie wartete einfach ab, was Paula zu erzählen hatte. “Es ist halt alles etwas schwierig im Moment, kompliziert“ , Paula bemerkte, wie schwer es ihr fiel, über die eigenen Gefühle, die eigenen Probleme zu sprechen, ihre Gefühle in Worte zu fassen. „Das wirkt sich dann auch privat aus. Das kann ich schlecht trennen. Wenn alles zu viel ist, bin ich auch privat genervt.“ Sie schwieg eine Sekunde, starrte auf den Tisch. „Es läuft halt auch nicht so gut zwischen Anne und mir. Die Leichtigkeit ist im Moment nicht da, die Unbeschwertheit. Die letzten Monate waren schwierig. Wir sind uns dessen beide bewusst, es wird auch wieder besser. Keine Sorge, in ein paar Monaten sieht alles wieder anders aus .“, beeilte sich Paula zu sagen. Sie versuchte in den Augen ihrer Schwester zu lesen, ob sie von Anne davon gehört hatte. Hatte sie? Zumindest ließ sie sich das nicht anmerken.
Als Paula schwieg und offensichtlich nichts weiter dazu sagen konnte oder wollte, sagte ihre Schwester „Hör mal, das wird schon wieder. Probleme in der Beziehung sind normal, und ein anstrengender Alltag wirkt sich eben auch auf die Beziehung aus. Anne hat viel Stress, du hast viel um die Ohren, da bleibt im Alltag die Beziehung auf der Strecke. Da müsst ihr dran arbeiten.“ Sie sah Paula an. „Wirklich arbeiten, und nicht so schnell aufgeben.“
B ei Paula schrillten nun doch die Alarmglocken. Ihre Schwester machte sich Sorgen, was hatte Anne ihr erzählt? Paula blieb stumm, unfähig jetzt noch über ihre Gefühle zu reden. Innerlich führte sie bereits einen imaginären Monolog mit Anne, den sie nie wirklich führen würde. Sie trank ihren Kaffee aus. „Ich muss gehen. Anne wartet bestimmt schon. Vielen Dank fürs Zuhören. Das tat gut.“ Sie nahm ihre Schwester kurz in den Arm. „Weißt du, Fynn tut mit gut. Wir holen das nach , das mit dem Zoo. Wenn diese Sache erledigt ist, gehe ich mit ihm in den Zoo, versprochen.“ Sie zog sich die Jacke an und ging zur Haustüre.
Als sie schon fast am Auto angekommen war, rief ihre Schwester ihr nach „Und rufe Mutter mal an, sie hat sich beschwert, dass du sie nie zurückrufst. Und grüße Anne von mir.“
Paula nickte nur und stieg ein. Ich habe nicht mal gefragt, wie es ihr geht, dachte sie. Ich bin auch nicht besser, als sie. Ich interessiere mich ebenfalls nicht wirklich für ihr Leben. Bin ich wirklich so egozentrisch, dass ich das alles um mich herum nicht wahrnehme, immer nur meine Probleme sehe und diese in den Mittelpunkt stelle? Vielleicht stehe ich mir wirklich immer selbst im Weg. Paula gab Gas, sie wollte nach Hause.
Von unten sah Paula kein Licht in der gemeinsamen Wohnung. Ob Anne schon schlief? Sie hatte ihr nicht einmal Bescheid gesagt, dass sie noch zu ihrer Schwester gefahren war. Mit einem schlechten Gewissen betrat sie leise die Wohnung. Aus dem Schlafzimmer konnte sie noch einen schwachen Lichtschimmer erkennen. Sie machte die Türe zum Schlafzimmer weiter auf und sah Anne lesend im Bett liegend.
Als diese Paula hörte, sah sie auf und
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