Totgelesen (German Edition)
worden zu sein. Warum eigentlich? Schließlich führte sie hier noch immer die Ermittlungen; sie hatte das Sagen, nicht er. Wieso war es ihr wichtig, was er von ihr dachte?
»Was weißt du über ihren Ex und die Trennung?«
»Er sieht gut aus, lässt nichts anbrennen. So wie er redet, hat er jede Nacht eine andere. Er tut so, als ob er keinen Grund hatte, sie zu töten.« Monikas Blick verfing sich wieder im Nebel; sie erinnerte sich an den Abend, als sie mit einem Kerl - den sie gerade erst in einer Bar kennengelernt hatte - mit nach Hause gegangen war. Am Morgen danach stand Mama neben ihrem Bett und beschenkte die vermeintliche Schwiegertochter mit einem Lächeln. Peinlich.
»Was ist mit abgewiesenen Verehrern?«, platzte Hofer in ihre Erinnerungen.
»Wer?« Die Frage war ausgesprochen, bevor sie darüber nachdenken konnte. »Ach so, ja, Frau Nußbaumer. Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken wo anders. Ich bin heute etwas unkonzentriert. Habe in letzter Zeit wenig geschlafen.« Die ersten Tage nach einem Mord waren immer die Entscheidendsten. Viele Fälle wurden in dieser Zeit gelöst, bei den meisten fand man zumindest eine Spur, der man nachgehen konnte. Aber hier? Seit drei Tagen pendelte Monika zwischen See und Büro, fand aber keinerlei Anhaltspunkte. Sie hatten noch immer keine vernünftige Täterbeschreibung, hatten nicht einmal eine Ahnung, wo sie den Mörder suchen sollten. Specht war noch mieser dran als sie. Seit Tagen lief er von einem Nachbarn zum nächsten, traf Freunde und Verwandte des Opfers, besuchte ihren Arbeitsplatz und sprach mit ihren Kolleginnen. Doch keiner konnte ihm etwas über Frau Nußbaumer erzählen, das er noch nicht wusste.
Hofer öffnete die Tür seines Wagens und glitt auf den Fahrersitz, wobei er Monika vorschlug, nach Hause zu fahren und sich richtig auszuschlafen.
»Und du?«
Hofer startete sein Auto, bevor er die Tür schloss. Monika glaubte, verstanden zu haben.
»Ich schau, dass sich was bewegt.«
***
»Aber es steht in der Zeitung, Sie können den Termin nicht platzen lassen.«
»Ich mache, was ich will, daran kann mich keine Zeitung hindern. Vielleicht habe ich Lust auf eine Signierstunde, vielleicht aber auch nicht. Das werden wir sehen. Wenn Ihnen das nicht passt, suche ich mir eben einen anderen, der meine Termine so legt, dass ich sie einhalten kann.«
Er donnerte den Hörer auf die Telefonanlage und beendete - wieder einmal ohne Gruß - das Gespräch. Strimitzer, seinen Literaturagenten, zu ärgern, bereitete ihm immer wieder Freude. Ihn zu schikanieren, gab seinem Leben den rechten Kick. Prinzipiell war es gleichgültig, wann die verhasste Signierstunde stattfand. Nicht, dass er in Terminen ersticken würde, nein, er hatte für einen bekannten Schriftsteller reichlich wenig zu tun. Jedes Buch brauchte ein knappes Jahr, bis es fertig war. Präsentiert wurde es dann an einem ungewöhnlichen und leicht gruseligen Ort. Ein paar Wochen danach folgte eine Signierstunde in der Grazer Buchhandlung Meiser. Sonst nichts, keine Lesungen, keine weiteren Signierstunden oder Buchmessen. Nichts. Dennoch waren seine Werke immer ganz oben auf den Bestsellerlisten. Vielleicht lag das gerade daran, dass er sich nicht allzu oft sehen ließ, sondern seine Tage lieber in seiner 400-Quadratmeter-Villa, südlich von Graz, verbrachte.
Von den wenigen Terminen abgesehen, verlief jeder Tag gleich. Morgens stand er bereits bei Tagesbeginn auf, setzte sich gegen sieben in eines seiner Autos und fuhr durch die Gegend, bis es Zeit für sein Mittagessen wurde. In seinen Autos war er allein - keiner konnte ihn stören, keiner wusste, wo er war. Keine lästigen Geräusche drangen zu ihm durch. Nur das Dröhnen des Motors und im Sommer das Rauschen der Klimaanlage. Meist hatte er keine Ahnung, wo er den halben Tag verbrachte. Es war ihm egal. Er fuhr einfach. Bei seinen Fahrten kamen ihm die Ideen für seine Bücher, die er nachmittags mit Besessenheit schrieb. Am Abend stand Ablenkung auf dem Plan. Fernsehen, lesen, Sex, je nach Laune. Keiner schrieb ihm etwas vor, schon gar nicht sein Agent.
Er angelte sich die Tageszeitung vom überdimensionalen Designer-Glastisch und ließ sich in seine Lederlandschaft - alle anderen Bezeichnungen würden dem riesigen Ledersofa nicht gerecht werden - fallen. Nach kurzem Blättern fand er den Artikel.
Joggermord
»Am 26. Februar ist der große Tag. Um 14:30 Uhr wird der exzentrische
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