Totgelesen (German Edition)
Empfangstresen mit. Hinter ihr schaute er in einen Raum, in dem junge Männer und Frauen ihre Köpfe über die neueste Hardware beugten. Die Stimmung war locker, das Radio lief, niemand trug Anzug oder Krawatte.
Die Schwangere brachte ihn in ein Zimmer, das anscheinend als Präsentationsraum genutzt wurde. Eine riesige Videoleinwand dominierte eine Wand. Der Tisch war überhäuft mit Beamern, Laptops und Scannern.
Nach ein paar Minuten betrat ein junger Mann, der sich als Rene Haberl vorstellte, den Raum.
»Bevor ich mich setze, sag ich Ihnen gleich, dass die Firma mit der Sache nichts zu tun hat. Ich habe die Seite allein online gestellt, weil ich ein Fan von ihm bin. Zuhause habe ich die nötige Software nicht, deshalb musste ich es hier machen.« Er setzte sich und sah Mike mit unversöhnlichem Blick an. »Wenn Sie nicht nachgefragt hätten, wäre das Ganze nie aufgeflogen. Jetzt hat mich der Chef gefeuert. Was wollen Sie also noch von mir?«
»Den Namen Ihres Auftraggebers natürlich.« Auch Mike konnte patzig sein, er sollte sich bei der Mordkommission bewerben.
»Ich dachte, das ist Ihnen klar.« Haberl fuhr sich durchs Haar und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. »Nur darum geht’s? Nur um das herauszufinden, bin ich gekündigt worden?« Er stand auf, stieß den Sessel um und schrie: »Beiel selbst hat mich beauftragt. Wer sonst?«
»Die Homepage war also ein Wunsch von Beiel selbst? Wie sind Sie zu dem Auftrag gekommen?« Den Coolen mimend, blieb Mike auf seinem Sessel sitzen.
Haberl hob den Stuhl auf und setzte sich wieder. »Wir haben uns auf einer seiner Buchvorstellungen kennengelernt. Ich darf mit Stolz behaupten, dass ich einer der Wenigen bin, die je mit ihm persönlich gesprochen haben. Ich hatte mich dann total gefreut, als er mich ein paar Monate später anrief und mich bat, eine Homepage für ihn ins Netz zu stellen.«
»Wann war das?«
»Letztes Jahr.« Haberl beantwortet nun alle Fragen ohne einen weiteren Gefühlsausbruch.
»Seit wann ist die Seite online?«
»Erst seit knapp sechs Monaten. Ich hatte ja noch andere Dinge zu tun. Und Beiel stresste mich auch nicht. Ich glaube, er hatte die Sache sogar vergessen, bis zu dem Tag, als ich ihm die Seite präsentierte.«
»Loggt Beiel sich auch ab und zu mal auf der Seite ein?«
»Selten, wieso?«
»Kennen sie seinen Usernamen?«
»Natürlich, habe ihn doch selbst angelegt: B1. Was soll die Frage?«
***
Hofers Büro sah noch gleich aus wie bei ihrer ersten Besprechung. Obwohl er sich inzwischen eingelebt hatte, verschönerte noch immer kein Bild die Wand oder den Schreibtisch. Nichts Unnützes lag herum. Bis auf die Klammermaschine - mit der Monika gerade spielte - standen nur ein Computer, ein Kalender und eine Box mit Stiften auf seinem Tisch. In der Mitte des Schreibtisches lagen die Akten von Nußbaumer und Schindler. Das Büro war für Monikas Gefühl viel zu karg und zu leer, dennoch war sie gern hier bei ihm. Eigentlich wäre der Besprechungsraum passender gewesen, um die offenen Fragen noch einmal durchzugehen, doch für die beiden Inspektoren war Hofers Büro angenehmer. Die Wand im Besprechungsraum war zwar inzwischen mit Fotos und Aussagen tapeziert, aber hier konnten sie sich besser konzentrieren. Sollten sie auf die Information dort zugreifen müssen, konnten sie die paar Meter zum anderen Zimmer immer noch zurücklegen.
Nachdem die Fahrt zum Tatort erfolglos verlaufen war, hatten sich die beiden Ermittler geeinigt, sich in Hofers Büro zu treffen, um nochmals über den Ermittlungsstand zu diskutieren. Schließlich stand morgen die Besprechung mit Oberst Neumeister auf dem Programm. Eigentlich hätte auch Specht dazu gehört, gestand sich Monika ein, aber wenn sich etwas Neues bei ihm ergeben hätte, wüsste sie es bereits. Schlimmstenfalls würde sie es morgen erfahren, wozu also heute einen großen Rummel veranstalten? Inmitten ihrer Gewissensbisse stellte Hofer eine Frage: »Hast du das Dossier vom Psychoheini schon gelesen?«
Monika rollte einen Kaugummi in ihrem Mund über die Zunge, blies Luft hinein und fing ihn gerade noch mit ihren Lippen, bevor er auf Hofers Schreibtisch landete. Gestern hatte sie den Bericht überflogen, um bei der morgigen Besprechung Oberst Neumeister darüber informieren zu können.
»Du meinst die sauteure Untersuchung, in der raus kam, dass der Täter zu 90 % männlich ist - was wir ja bereits wussten - oder, dass er zwischen 20 und 60 Jahre sein wird - was auch klar war.«
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