Totgelesen (German Edition)
Tür kam, er hörte Saschas Rufe, als er die Eingangstür zuzog, er hörte sein Handy klingeln, als er ins Auto stieg. Nichts davon interessierte ihn. Er wollte nur weg - so schnell wie möglich weg von hier. Auch wenn das aussah, als sei er eifersüchtig. Das war er nicht. Warum auch? Schließlich tat er auch was er wollte.
Das Erste, das er wieder bewusst wahr nahm, war die Reklametafel einer Bierbrauerei an einem Wettcafé. Er parkte. Sein Körper schrie förmlich nach Alkohol. Seit über einer Woche redete er nun mit Verwandten, Freunden und Bekannten von Nußbaumer und Schindler. Hörte sich den ganzen Tag Einzelheiten aus dem Leben von zwei Frauen an - die nicht mehr beleidigt sein konnten, wie über sie gesprochen wurde. Er redete den ganzen Tag, doch keiner war da, der mit ihm über das Gehörte sprach. Auch heute, wo er einmal nicht unterwegs gewesen war, blieb er allein. Er war im Büro, aber die beiden Kollegen nicht. Keine Ahnung, wo sich Monika herumtrieb. Seit Hofer zurück war, hielt sie es nicht mehr für notwendig, sich mit ihm abzusprechen, welche Ermittlungen sie durchführte. Auch das Getue, das Hofer seit seiner Rückkehr veranstaltete, ging ihm gewaltig auf den Geist. Der liebe Herr Inspektor observierte einen bekannten Grazer Schriftsteller und für Specht blieb die ungeliebte Drecksarbeit, für die sonst keiner Zeit fand. Ob er an dem wahren Täter dran war oder nicht, interessierte keinen. Hofers Reaktion auf die Tatsache, dass Nußbaumers Alibi geplatzt war, sprach für sich: »Der Typ ist nach einer durchzechten Nacht aufs Häusl und du konstruierst einen Mord daraus. Das ist Blödsinn. Selbst wenn wir nur den Mord an seiner Frau hätten, wäre da nichts zu machen. Keine handfesten Beweise. Kein Motiv. Nichts. Nur die Annahme eines Polizisten. Eigentlich habe ich mehr von dir erwartet. Früher hat dich dein Instinkt nicht so schnell verlassen.«
Specht konnte Hofers Antwort detailgetreu wiedergeben. Er trank sein Bier in einem Zug leer und knallte es auf den Tresen. Außerdem nahm er Monika voll und ganz in Beschlag und so blieb niemand, mit dem Specht diskutieren konnte. Keiner, der sich seine Argumente anhörte oder sie widerlegte. Die Frau Kollegin war nur noch für Hofer da - er blieb auf der Strecke. Darum hatte er sich überwunden und war zu Sascha gefahren. Wie dumm das war, stand inzwischen fest.
Im Lokal war nicht viel los. Außer der Bardame waren nur zwei Männer da und die konzentrierten sich auf die Spielautomaten vor sich. Er bestellte einen doppelten Whisky mit Eis und ein Bier - zum dazu trinken.
Als das Bier zum vierten Mal - innerhalb einer halben Stunde - aufgefüllt wurde, sinnierte Specht: »… dabei habe ich doch nur jemanden zum Reden gesucht.«
Die Kellnerin sah kurz in seine Richtung, unschlüssig, ob sie etwas gehört hatte oder nicht und widmete sich weiterhin ihrem Zapfhahn. Specht nahm sein Whiskyglas in die Hand, schwenkte es und betrachtete die Eiswürfeln, die in ihrem eigenen Schmelzwasser schwammen. Er wusste, wer der wahre Mörder war und wollte eine andere Meinung dazu hören.
Morgen kam wegen der Tonbandaufnahmen Familie Schindler vorbei. Wenn die beiden die Stimme erkannten und mit der Aussage von der Pötsch, war Nußbaumer geliefert. Hofer würde schon sehen.
Monika würde wieder ihre Abende mit ihm in einer Bar verbringen. »Noch einen Doppelten!«
Er stellte das Glas wieder auf die Theke.
***
Es war fast halb acht, als Monika das Restaurant betrat. Sie war mit Absicht zu spät, in der Hoffnung, ihre Verabredung habe nicht länger auf sie gewartet … und wenn doch, war er es vielleicht wert. Sie kam ohnehin selten pünktlich - aus beruflichen, aber auch aus privaten Gründen. Entweder fand sie - in ihrer Unordnung - das Gewünschte nicht schnell genug, oder ihre Haare wollten nicht so, wie sie sollten. Irgendetwas hielt sie immer auf.
Ein Kellner kam auf sie zu, sah sie mit überheblichem Blick an und fragte: »Bitte sehr, kann ich Ihnen helfen, gnädige Frau?«
Monika schmunzelte. Österreich war wirklich das einzige Land, in dem man in ihrem Alter genannt wurde.
»Ich habe reserviert.« Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, auf welchen Namen die Reservierung lief. Sie stammelte: »Ich, eh, ich weiß nicht, unter welchem Namen.
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