Totgelesen (German Edition)
tot, Herr Nußbaumer.« Spechts Stimme durchschnitt den Raum und brachte Nußbaumers Lachen sofort zum Verstummen. »Was soll ich mit ihr zu tun haben? Ich habe diese Frau noch nie gesehen.« Er schob das Foto von sich, als ob es mit einem Virus infiziert wäre.
»Frau Pötsch sagte uns, Sie hätten Ihr von einer ehemaligen Freundin erzählt«, wechselte Specht das Thema.
»Und Sie schließen daraus, dass es die Frau auf dem Bild ist? Das glauben Sie doch selbst nicht, oder?« Er blickte Specht herausfordernd an, nickte leicht, verzog seinen Mund, kniff die Augen zusammen. »Darf ich Sie mal was fragen? Sie halten nicht viel von Frauen, oder? Ich meine, »Mann« merkt, dass Sie homo sind. Da habe ich doch recht?«
»Ich denke nicht, dass meine sexuelle Orientierung Teil dieses Gespräches sein sollte.« Specht hatte keine Lust, dieses Thema auf der Aufnahme zu haben.
»Doch, sollte sie. Sie haben nämlich offensichtlich keine Ahnung von Frauen.« Nußbaumers skeptischer Blick wurde von einem überheblichen Grinsen abgelöst.
»Man muss nur wissen, was man ihnen erzählt. Keine will einen Macho, der jeden Tag eine andere abschleppt. Jede will hören, dass man für sie diesen Lebenswandel aufgibt. Wenn man dann auch noch davon redet, dass man es für eine andere gerade erst getan hat und von der verlassen worden ist wie ein räudiger Hund, dann schmelzen sie dahin; weil sie sich einbilden, dass man auch für sie das Lotterleben aufgeben würde. Sie hätten ihre treuherzigen Augen sehen sollen bei der Story. Alle wollen sie den armen, hilflos Verlassenen retten und in ihre Arme schließen.«
»Apropos armer Verlassener, Frau Pötsch sagte uns, dass Sie sich nicht sicher sei, ob Sie wirklich die ganze Nacht zu Hause waren. Sie meinte, es könnte durchaus möglich sein, dass Sie nach Graz gefahren wären.« Nun war Nußbaumer wieder da, wo er hingehörte.
***
»Heut ist ein wundervoller Tag zum Schifahren.« Monika saß mit Hofer zusammen im Sessellift und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
»Nur schade, dass wir zum Arbeiten hier sind und nicht zum Vergnügen.«
»Spielverderber.« Monika ließ sich durch Hofers schlechte Laune nicht die Stimmung vermiesen. Bei den ersten Liftfahrten hatte sie auch voller Enthusiasmus nach unten geblickt, darauf aus, irgendeine Kleinigkeit, die von der Spurensicherung übersehen wurde, zu finden. Danach war die Uhr in den Vordergrund gerückt und sie hatten gestoppt, wie lange man mit dem Lift bis zur Unglücksstelle brauchte und wie weit es von dort zur Bergstation war.
Bei den Talfahrten waren sie immer wieder zur Fundstelle gefahren, hatten aber nichts Neues entdecken können. Zwei Stunden waren schon mit dieser Besichtigungstour vergangen und Monika wollte zumindest ein- oder zweimal - ihres Berufes ungeachtet - den Hang hinunter brausen und den wunderschönen Tag genießen. Doch Hofer ließ diesen Plan wie eine Seifenblase zerplatzen.
»Das ist unsere letzte Fahrt, danach machen wir uns wieder auf dem Weg nach Graz. Schließlich sind wir nicht zu unserem Vergnügen bei der Polizei.«
***
Mike arbeitete gern mit Leuten aus anderen Abteilungen zusammen. Zwar war er als IT-Beweissicherer an sein Büro gebunden, aber immer wieder konnten sie - dank seiner Ergebnisse - Verdächtige festnehmen. Sie machten die Drecksarbeit wie Hausdurchsuchungen oder Zeugenbefragungen, und er konnte in seinem Büro sitzen, die verschiedenen Rechner nach Daten durchsuchen oder im Internet recherchieren. Dank ihm wurden die Verhöre mit Beweisen unterlegt, mit denen niemand gerechnet hatte. Trotzdem konnte er die meisten dieser hochnäsigen Bullen nicht riechen. Für sie gehörte er nicht dazu. Sie sahen in ihm jemanden, der ihnen Arbeit abnahm, die sie aus Zeitmangel abgaben. Seine Recherchen wurden dankend angenommen - Anerkennung oder gar Lob gab es nie. Bei einer Pressekonferenz würde keiner von ihnen sagen: »Dank an unseren Kollegen von der IT-Abteilung.« Immer ging es nur um die Kripoleute, um ihren perfekten Spürsinn, ihre Ermittlungen. Diesmal würde er ermitteln. Diesmal würde er zu Neumeister gehen und ihm den Täter präsentieren. Er würde seine Ergebnisse geheim halten, bis ...
Selbstsicher betrat er die Büroräume der Agentur Pichelbauer, die für die Homepage von Beiel zuständig war. Vor einer Stunde hatte er eine Mail mit der Bitte, den zuständigen Administrator zu sprechen, abgeschickt. Dies teilte er nun einer schwangeren Rothaarigen hinter dem
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