Totgelesen (German Edition)
Gesicht - zumindest der Teil ohne Bandagen - war geschwollen und mit Blutergüssen übersät. Überall hingen Schläuche an und aus ihrem Körper. Neben dem Bett stand ein Sammelsurium diverser Monitore und anderer Geräte, die die Lebenserhaltung der Frau übernommen hatten. Ein Mann mittleren Alters saß neben dem Krankenbett. Er sah Monika mit glasigen Augen an, als sie die Tür geräuschvoll zuzog.
Monika stellte sich vor und fragte: »Wie geht es ihr?«
Eine Träne rann über seine unrasierte Wange, bevor er fähig war, Monika zu antworten.
»Keine Ahnung. Die Ärzte wissen immer noch nicht, ob sie durchkommen wird.«
»Das tut mir sehr leid für Sie.« Unbehagen kroch Monika den Rücken hinauf. Dennoch, es blieb ihr nichts anderes übrig, deshalb fragte sie geradeheraus: »Wissen Sie, wann die Ärzte vorhaben, sie aus dem Koma zurückzuholen? Ich will nicht unsensibel erscheinen, aber ihre Aussage wäre von großer Wichtigkeit für uns.«
Der Mann sah sie schweigend an, sie erwiderte seinen Blick so freundlich, wie es ihr möglich war, bis er seinen Blick wieder senkte, um die entstellten Züge seiner Verlobten zu betrachten.
»Sie haben von fünf bis sieben Tagen geredet - vorausgesetzt sie übersteht die Zeit bis dahin.« Er nahm sanft die Hand der Frau und strich mit seinen Fingern über ihre Verbände, während Tränen langsam seine Wangen entlangliefen.
»Sie ist sonst immer so tapfer. Noch nie hat sie gejammert oder geweint, wenn sie sich verletzt hat - und nun das. Es tut weh, sie so zu sehen.«
Augenblicklich wurde Monika klar, dass sie hier nichts Neues erfahren würde. »Tut mir leid, ich komme ein anderes Mal wieder - hoffentlich geht es ihr bis dahin besser. Das meine ich nicht nur, weil ich sie befragen muss.« Sie verließ das Zimmer und flüchtete erneut zum Kaffeeautomaten.
Das Einwerfen der Münzen und das monotone Geräusch des tröpfelnden Kaffees wirkten beruhigend auf Monika. Sie schnappte sich ihren Becher und setzte sich auf einen der Plastikstühle, die neben dem Automaten aufgereiht waren, um über ihre weitere Vorgehensweise nachzudenken. Hofer hatte recht, es war sinnlos gewesen herzukommen.
***
Hofer fühlte sich wie neu geboren, als er die Polizeidienststelle betrat. Er wusste allerdings nicht, ob das am Sex oder an der gestrigen Verhaftung lag.
Zwar war Monika ihm gegenüber jetzt etwas abweisend, aber man konnte nie wissen, wie es weitergehen würde. Auf eine Beziehung hatte er keine Lust, dafür liebte er seine Frau immer noch zu stark, aber ab und zu Sex, da hätte er nichts dagegen. Vielleicht hielt er beim nächsten Mal dann auch länger durch. Alles in allem war er einfach gut drauf, so gut, dass er sich sicher war, nichts könnte seine Stimmung trüben. Das glaubte er immer noch, als er leise pfeifend am Besprechungsraum vorbei kam. Von drinnen waren Stimmen zu hören. Er blieb stehen und lauschte.
»Ich will sofort meinen Anwalt sprechen. Sie können mich hier nicht einfach so festhalten.«
War das nicht Beiel? Er riss die Tür auf. Im Zimmer saß auf der einen Seite des Tisches Andreas Beiel und auf der anderen Specht. Hofers gute Laune war wie weggeblasen.
Specht stand auf, griff in seine Jackentasche und knallte ein Handy auf den Tisch. »Ich werde mich mit meinem Kollegen besprechen, rufen Sie inzwischen Ihren Anwalt an. In einer viertel Stunde kommen wir wieder, dann soll er da sein.«
Die beiden Polizisten verließen den Raum, ein Sicherheitsbeamter bezog vor der Tür Stellung. Hofer war sauer. Er wartete nicht, bis die beiden sein Büro erreicht hatten, sondern schrie Specht bereits im Gang an.
»Was sollte das? Was hast du dir nur dabei gedacht, ihn allein zu befragen? Er ist mein Verdächtiger. Du hättest den ganzen Fall in den Sand gesetzt, wenn ich nicht gewesen wäre, und jetzt willst du das Verhör genauso verpatzen?« Hofer war wütend, so wütend, wie er es vor wenigen Minuten nicht für möglich gehalten hätte. »Misch dich nie wieder in einen meiner Fälle ein, dafür bist du nicht clever genug! Auch wenn du es nicht wahr haben willst, ich bin hier wieder der Chef. Vielleicht hast du mich ja ganz gut vertreten in den zwei Jahren, in denen ich nicht hier war, aber jetzt bin ich wieder da. Das heißt für dich, dass ich die Befragungen übernehme und du dich mit dem Papierkram herumschlagen darfst.«
»Ich weiß selbst, wie die Sache hier läuft. Beiel gehört dir. Du bist ja von Anfang an scharf darauf gewesen, ihn zu verhaften, jetzt
Weitere Kostenlose Bücher