totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
immer noch nicht angerufen hatten. Diesmal hinterließ ich auf Winnies Mailbox wirklich eine Bitte um Rückruf. Bei Kostnitz erreichte ich wieder niemanden. Verdammt, wenn das so weiterging, würde ich das Ende der Geschichte total verpassen. Mir blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, wann die beiden Herren sich geneigt zeigen würden, mir mal was zu erzählen. Und das, nachdem Herr Matti und ich den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hatten. Ich fand, ich hatte ein Recht auf das Ende der Geschichte.
Während ich auf die Rückrufe wartete, verspeiste ich drei Krapfen in fünf Minuten und dachte mir Passwörter aus, die Sommer verwendet haben könnte. Auf Nachrichten wartete ich an diesem Abend wieder mal vergeblich.
Nach einem netten, ruhigen Fernsehabend und einer guten Nacht mit ausreichend Schlaf war ich bereit, meine neue Figur und meinen neuen Rock zum Brunch ins Café Madrid auszuführen. Von Kai-Uwe Hasselbrink und seinen dämlichen Fragen war weit und breit nichts zu sehen und zu hören, was mich sehr froh stimmte. Zwischen Milchkaffee und belegten Brötchen bastelte ich also ungestört weiter an der Passwortliste. Ich schrieb einfach alles auf, was mit dem Thema Tod zu tun hatte: Bestattung, Balsamieren, Thanatos, Embalming, Grabstein, usw. Würde Herr Sommer »Styx« als Passwort benutzen? Ich strich es wieder aus. Darauf würde der nie kommen, genauso wenig wie auf Orkus, Hel oder Anubis. Ich war ziemlich stolz auf mein Kreuzworträtselwissen.
Wann immer die Tür vom Café aufging, hoffte ich, Blaschke würde hereinkommen. Tat er aber nicht, was ich schade fand, denn ich brannte auf Neuigkeiten.
Am Nachmittag war ich mit meinen Ergebnissen auf meiner Passwortliste sehr zufrieden und nicht mehr davon abzuhalten, mich ins Büro von Pietät Sommer zu begeben. Wer wollte denn noch länger warten? Kostnitz und Winnie hatten ihre Chance gehabt. Ich hatte mittlerweile den dringenden Verdacht, dass die beiden mich ganz bewusst nicht auf dem Laufenden hielten. Die edlen Ritter hatten sich wohl darauf geeinigt, die Prinzessin in ihrem Turm zu lassen, während sie den Drachen für sich allein beanspruchten. Ich wurde langsam sauer auf die beiden.
Ich wählte die Nummer von Pietät Sommer. Der Anrufbeantworter meldete sich. Na also. Sommer war nicht da. Wozu hatte ich einen Schlüssel? Und wenn er doch da war, würde ich wieder umkehren. Vielleicht könnte ich auch bei Herrn Matti noch mal anklingeln. Schließlich wurden Sommer und Bartholomae mittlerweile von der Polizei überwacht. Was sollte uns schon passieren? Außerdem: Jetzt waren wir schon so weit gekommen, jetzt wollte ich unbedingt auch noch den Rest.
Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, klingelte mein Telefon. Es war Sommer, der mich bat, mit Herrn Matti eine Leiche abzuholen. Er entschuldigte sich salbungsvoll und wortreich für die Ungelegenheiten, die er mir an meinem freien Tag bereiten müsse. Aber es ginge leider nicht anders, ob ich bitte ausnahmsweise mitfahren könne? Die Leiche befinde sich im Erdgeschoß. Der Abtransport würde uns keine Schwierigkeiten machen. In fünf Minuten wäre Matti bei mir, um mich abzuholen. Ich musste mich sehr zurückhalten, um nicht vor Freude juchzend zuzusagen.
Das lief doch gerade wie geschmiert. Wenn wir die Leiche abgeholt hatten, und Sommer war offensichtlich nicht im Büro, konnte Matti Schmiere stehen, während ich mich an den Dateien vergreifen und das Büro durchsuchen würde.
Ich kann es nicht anders beschreiben, aber zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich wieder ein bisschen lebendig.
24
Mir blieb keine Zeit mehr, mich in entsprechend dezente Bestatterkluft zu werfen. Ich befand, der Rock in gedecktem Altrosa sei seriös genug. Ich warf meine Arktisjacke über und wartete auf dem Bürgersteig ungeduldig auf Herrn Mattis Ankunft.
Meine Geduld wurde nicht übermäßig strapaziert, denn schon nach ein paar Minuten hielt der schwarze Leichenwagen am Straßenrand.
»Hatten Sie ein schönes Fest, Frau Margret?«
»Und wie, Herr Matti. Ich habe Superneuigkeiten! Gut, dass wir uns heute schon treffen. Was haben Sie so gemacht?«
»Nichts. Ich war bei Sommer und habe mich um Chemikalien und Arbeitsmaterial gekümmert. Erzählen Sie Ihre Neuigkeiten, bitte.« Und ich berichtete, was ich am Weihnachtsabend mit dem alten Kostnitz bei ihm zu Hause erlebt und besprochen hatte – in allen Einzelheiten und in den lebhaftesten Farben: von den Blankoformularen, dem Kissen und den
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