totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
im Stadtpark herumlief und dabei langsam einschneite, den hinterdrein tapsenden Kater im Schlepptau, überlegte ich noch mal ernsthaft, wie ich es angehen sollte.
Ich wollte so mutig sein wie damals, als ich die Geschichte mit den verkauften Frauen aus Asien recherchiert hatte. Oder war ich da nur blöd, unbedarft und unendlich naiv gewesen? Wahrscheinlich. Damals hätte mich das BKA fast aus dem Verkehr gezogen. Zu meiner eigenen Sicherheit. Ich musste lächeln. Das war über zehn Jahre her. Was war nur aus mir geworden?
Ich suchte nach meinen Zigaretten, dabei erwischte ich den kleinen bunten Engel. Brausepulver. Winnie hatte eine Oma, die in ihrem Kiosk Brauseengel verkauft. Ich hätte ihn fragen sollen, wo der Kiosk ist. Wilma wäre nicht so fahrlässig mit den Fakten umgegangen. Wenn die was wissen wollte, kriegte sie es auch raus. Vorsichtig leckte ich den Engel an. Tatsächlich, prickelig himbeerig. Na dann. Ich schob mir den ganzen Engel in den Mund.
Nach der vierten Runde um den zugefrorenen Stadtparkteich hatte ich rosa Brauseschaum vor dem Mund, aber mein Entschluss stand fest: Sollte ich bis Montag von Kostnitz oder Winnie nichts gehört haben, würde ich wieder ins Büro gehen, und dann würde ich irgendwie den Safe aufkriegen oder den Computer knacken.
So wie die Specksteinfiguren aussahen, die Sommer fabrizierte, konnte ich davon ausgehen, dass sein Fantasiequotient gegen null tendierte, genauso wie sein Witzquotient. Das Codewort musste einfach zu knacken sein, und die Zahlenkombination für den Safe klebte bestimmt in einer seiner Schubladen. Ich musste nur gründlich suchen.
Als ich nach Hause kam, hatte ich einen Anruf von Blaschke auf meinem Anrufbeantworter. Während ich das Band abhörte, kontrollierte ich im Badezimmerspiegel meine himbeerrote Zunge. »Schade, dass du nicht mit mir spazieren gehst, sondern mit deinem Kater. Ich melde mich morgen noch mal. Und bitte, hör auf den Alten und sei krank. Nach deinem Ausflug im Schlafanzug sollte eine Grippe kein Problem sein. Wundert mich sowieso, dass du nach dem Lachsgericht von Kostnitz keine Lebensmittelvergiftung hast. Wie war der Brauseengel?«
Ja, Herrgott nochmal, kriegte der Kerl denn alles mit? Ich rief ihn sofort zurück, aber es meldete sich nur die Mailbox. Ich wünschte ihm ein frohes Fest und dankte für den Anruf und seine guten Ratschläge.
Wie gerne hätte ich jetzt mit ihm über den Fall gesprochen. Ganz entre nous. Vielleicht in seiner Wohnung? Es hätte mir auch gar nichts ausgemacht, noch mal loszufahren. Das auf die Mailbox zu sprechen, verkniff ich mir allerdings.
Leider konnte ich Kostnitz auch nicht erreichen. Ich hätte mich gerne noch mal bei ihm bedankt und ihn gefragt, was die Polizei als Nächstes unternehmen würde. Niemand ging ans Telefon.
Den Rest des freien Tages verbrachte ich mit allen möglichen Dingen. Ich wollte mich unbedingt bewegen, nicht zu Hause sein und grübeln. Also machte ich mich auf in die City, um Kai-Uwe Hasselbrink den ersten Weihnachtsfeiertag zu verderben.
Den zweiten Weihnachtsfeiertag verbrachte ich wie geplant vor dem Fernseher. Nach drei Spielfilmen hintereinander stieg Dr. Thoma erschöpft aus. Kein Fleischsalat der Welt konnte ihn dazu überreden, sich mit mir noch einen vierten Film anzugucken. Immer noch keine Nachrichten. Weder von Kostnitz noch von Winnie. Ich fand die Warterei mehr als unergiebig, und dass beide nicht zu erreichen waren, machte mich fast verrückt.
Am nächsten Tag hielt ich es zu Hause nicht mehr aus und ging in die Stadt – Sonderangebote checken.
Beim chinesischen Großhändler kaufte ich ein paar Chinakracher für die Silvesternacht. Ohne Knallerei geht gar nix. Das musste einfach sein. Die 100 Mark, die mein Vater mir geschickt hatte, investierte ich in einen warmen, altroséfarbenen Tweedrock Größe 38 und einen passenden Pullover. Zu meiner grenzenlosen Überraschung spannte der Rock überhaupt nicht, was mich fast dazu verleitet hätte, noch mehr Sachen zum Anziehen zu kaufen. Aber ich blieb hart gegen mich selbst. Keine neuen Sachen, denn ab nächster Woche, das war mir völlig klar, würde ich dann wohl wieder arbeitslos sein. Und bis die Honorare für meine Bombenstory fließen würden, musste ich ja irgendwie zurechtkommen. Als ich den Laden mit nur zwei Teilen verließ, kam ich mir unheimlich diszipliniert vor und kaufte mir stattdessen eine Tüte fettgebackener Krapfen.
Zu Hause stellte ich enttäuscht fest, dass Winnie und Kostnitz
Weitere Kostenlose Bücher