totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Ohr.
»Hören Sie doch auf zu flüstern. Wissen Sie eigentlich noch, was Sie tun?«
»Ja, weiß ich genau. Und weil ich das weiß, will ich, dass die drei Herrschaften denken, dass alles zu ihrer Zufriedenheit läuft. Und Sie, Sie sollten doch heute krank geschrieben sein! Warum sind Sie überhaupt hier?«, blaffte er mich an.
»Ich bin nicht krank, im Gegensatz zu einigen anderen Leuten hier! Und Schwester Beate, die ist tot!«, protestierte ich.
Kostnitz setzte sich neben mich auf die vordere Sitzbank. »Was verstehen Sie denn schon von Polizeiarbeit?«
»Dass die Polizei zumindest dabei ist, wenn die Polizei Polizeiarbeit verrichtet, Herrgott nochmal!«
»Wird sie ja auch. Ich will einen Blick in die Computer werfen, das ist alles. Dann können die Jungs den Rest erledigen. Regen Sie sich doch nicht so auf!« Kostnitz paffte seine Zigarre und nebelte das Auto voll. Er sah sehr zufrieden dabei aus.
Matti war während der ganzen Fahrt zum Büro still.
»Herr Matti, wo ist Sommer?«
»Er hat mir nur gesagt, dass er kurzfristig verhindert ist. Er hat nicht gesagt, wo er ist.«
Matti hatte sich mir zugewandt und sah mich mit versteinertem Gesicht an. Dann drehte er seinen Kopf ruckartig nach vorne und starrte wieder geradeaus. Nach ein paar Minuten erreichten wir die Hofeinfahrt von Pietät Sommer. Kostnitz öffnete die Beifahrertür, kaum dass der Wagen angehalten hatte. Er schwankte ein wenig, als er auf seinen Beinen stand. Trotzdem ignorierte er Mattis angebotene Hand.
Wir schoben die Bahre mit Schwester Beate in den Kühlraum. Kostnitz musste sich an der Wand abstützen, als er uns langsam folgte.
Von Sommer keine Spur. Aus dem Aufbahrungsraum hörte ich, dass die Flippers immer noch dudelten. Bevor Matti mich aufhalten konnte, stürmte ich in den Aufbahrungsraum und stoppte die Musik. Im Gänsemarsch gingen wir die Wendeltreppe hinauf. Der alte Kostnitz ließ sich erschöpft auf den nächstbesten Stuhl fallen.
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht ins Krankenhaus gehören, Herr Kostnitz?«
Er schaute mich wütend an. Sein Gesicht war gelbgrün. »Todsicher! Machen Sie endlich den Computer an. Wir haben heute noch einiges vor.«
Mit zitternden Händen startete ich den Computer auf Sommers Schreibtisch. Schon das dritte Codewort von meiner Liste passte. »Thanatos« war das Sesam-öffne-Dich.
Und wenige Augenblicke später hatten wir die Beweise schwarz auf weiß. Hier waren sie, die Rechnungen von Sommer an Bartholomae. Die echten und die frisierten. So frisiert, dass aus den Versicherungen kaum ein Pfennig übrig blieb. Auch die korrekten Eingänge waren verzeichnet. Vor allem fand ich eine Liste mit penibel bis auf den letzten Pfennig notierten Geldbeträgen, die Sommer von Bartholomae bekommen hatte und noch erwartete. Demnach stand Bartholomae bei Sommer mit 35.000 Mark in der Kreide. Ich traute meinen Augen nicht: Das erste Datum war aus dem Jahr 1998. Unfassbar!
Ich fand noch eine weitere Datei mit dem Namen »Vorsorge«, die sich mit dem Passwort »Embalming« öffnen ließ. Darin waren die eingescannten Vorsorgeverträge abgelegt. Die ursprünglichen und die, die nachträglich von Sommer ausgefüllt worden waren. Unter jedem Vorgang war akribisch die Gewinnspanne aufgelistet.
Ich für meinen Teil hatte genug gesehen, und erschöpft war ich auch.
Keine Angehörigen, keine Fragen. Nur im Falle von Frau Kostnitz hatten Bartholomae und Sommer sich zu früh gefreut. Mir wurde so speiübel, wie mir noch nicht einmal speiübel gewesen war, als die Nachtfähre von Belgien nach England in einen Sturm mit Windstärke zwölf geraten war.
»Meine Güte, das gibt es doch alles gar nicht«, stammelte ich. Kostnitz hatte den Telefonhörer in der Hand, um, wie er ankündigte, »seine Jungs« anzurufen. Leider kam er nicht mehr dazu. Sommers Auto bog soeben in die Einfahrt ein. Ohne ein Wort zu sagen, stürmte Herr Matti schnurstracks die Treppe hinunter. Ich hatte natürlich die ganze Zeit laut vorgelesen, was ich in den Dateien gefunden hatte, und Matti hatte konzentriert zugehört. Gleich würde Sommer die Schiebetür vom Lieferanteneingang aufmachen. Wie ich mir an drei Fingern ausrechnen konnte, lief er Sommer nicht entgegen, um ihm frohe Weihnachten zu wünschen.
Kostnitz rief: »Herr Matti, was machen Sie denn?«
Ich sprang auf und rannte hinter Matti her. Kostnitz folgte mir schnaufend.
»Matti, bitte, bleiben Sie stehen, das regelt die Polizei!«, rief ich.
»Nein, das regele ich«, fauchte er
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