totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
einfach auf mich fallen, sodass ich mich nicht mehr bewegen konnte.
Schon hatte er seine Hände an meinem Hals. Okay, das wird es dann wohl gewesen sein. Ich versuchte, zu treten und zu kratzen, aber er war einfach stärker. Ich zappelte wie ein Fisch am Haken, ohne damit allerdings nennenswerten Eindruck auf Bartholomae zu machen. Meine Arme und Beine hörten mit dem immer kraftloseren Gezappel auf, und ich sank langsam in ein tiefes schwarzes Loch. Ach, so fühlt sich das also an, dachte ich noch. Gar nicht so schlimm. Warte auf mich, Kostnitz, warte. Ich glitt in eine große Stille hinein.
Beinahe empört, weil ich aus dem Mare Tranquilitatis unsanft wieder hervorgeholt wurde, machte ich die Augen auf. Schon wieder schlug mir jemand ins Gesicht. Diesmal war es Matti. Seine Augen blitzten mich an.
»Ah, gut, Frau Margret«, war alles, was er sagte. Diese Augen. Sah so der Irrsinn aus? Blankpoliert und strahlend blau. Wie ein finnischer See, dachte ich. Bartholomae lag zu meiner Verwunderung ausgestreckt neben mir. Er atmete noch. Matti beugte sich über den leblosen Mann, unverständliches Zeug auf Finnisch brummelnd. Matti hatte eine dicke Platzwunde auf der Stirn, aus der er heftig blutete. Er sah aus wie der Racheengel in Person.
»Matti«, krächzte ich.
»Alles gut, alles gut«, sagte er immer wieder. Aber es war gar nicht gut. Ganz und gar nicht. Matti packte Bartholomae an den Füßen und schleifte ihn aus dem Kühlraum. Dann wuchtete er den schweren Mann auf den Metalltisch, auf dem er sonst die Leichen wusch und versorgte. Den Umschlag mit dem Geld warf er einfach in die Mülltonne. Auf allen Vieren versuchte ich, die Tür zu erreichen.
»Matti, was machen Sie denn da?«
»Ich schicke ihn in die Hölle, Frau Margret. Sommer erwartet ihn schon.«
Oh mein Gott, jetzt sah ich auch, was er vorhatte! Er holte eine Flasche mit Einbalsamierungslösung, ein paar Schläuche und ein Skalpell.
»Matti, nein! Er lebt doch noch!«
Matti fesselte den bewusstlosen Bartholomae an die Bahre. Seine Bewegungen waren dabei ruhig und sehr routiniert. Er riss Bartholomaes Kragen auf und inspizierte die Schlüsselbeinvene. Jetzt würde er gleich das Skalpell ansetzen. Mir war so übel, dass ich dachte, mich jeden Moment übergeben zu müssen.
»Matti, nicht! Bitte!«, schrie ich aus Leibeskräften.
Er schaute mich an, als hätte er mich sein Lebtag noch nicht gesehen und machte einfach die Kühlraumtür vor meiner Nase zu.
»Nein, nein, nein!«, wimmerte ich vor mich hin. Aber Herr Matti hörte mich nicht mehr. Verzweifelt warf ich mich mit letzter Kraft gegen die Tür. Wenn ich erst die Pumpe hören würde, wäre Bartholomae tot. Nicht, dass ich den Kerl gerne lebend gesehen hätte, ganz und gar nicht. Ich wollte einfach nicht, dass Matti so etwas Schreckliches tat. Wenn doch bloß irgendjemand bitte endlich kommen würde!
Ich weiß nicht, wie lange ich auf dem Boden gesessen hatte. Mir wurden die Arme steif, weil ich mir die ganze Zeit die Ohren zuhielt. Ganz langsam nahm ich die Hände herunter. Ich hörte gar nichts. Keine Pumpe, einfach nichts.
Ich lauschte angestrengt an der Tür, aber es blieb still. Zu still. Die Kühlung lief nicht mehr.
Ich hatte Bartholomaes Exekution verschlafen. Matti war wohl abgehauen und hatte als letzte Freundlichkeit für mich die Kühlung abgestellt.
Ich machte das Licht im Kühlraum wieder an und fand unter der Bahre, auf der Schwester Beate lag, einen nicht ganz so weit heruntergerauchten Zigarettenstummel. Schlotternd versuchte ich, ihn anzuzünden. Obwohl kalte Zigarettenstummel total übel schmecken, war das jetzt besser als nichts. Ich würde das hier sowieso nicht überleben.
Der Rauch kratzte höllisch im Hals. Mein Kehlkopf war hart und wund, so als hätte ich versucht, einen viel zu großen Bissen herunterzuschlingen. Ich tastete vorsichtig meinen Hals ab. Es tat weh. Ich fing wieder an zu weinen, vielleicht verringerte das wenigstens den Druck auf meine Blase. Bevor ich mir die Finger verbrannte, ließ ich die qualmende Kippe fallen und trat voller Wut fluchend darauf herum.
Der arme Matti hatte alles kaputtgemacht. Sein ganzes Leben endgültig kaputtgemacht, wegen dieser drei miesen Kreaturen Sommer, Bartholomae und Weizmann. Sollen sie doch in der Hölle schmoren!
Mitten in meine Überlegungen hinein klingelte plötzlich leise ein Handy. Das kam definitiv nicht von draußen. Elektrisiert rappelte ich mich hoch und legte ein Ohr auf den Leichensack von Schwester
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