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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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der Sohn von der Prusseliese. Ich bleibe noch, um meinem Vater zu helfen. Der Blaschke hat mich in Wien angerufen und gesagt, dass Mama plötzlich gestorben ist und dass es mit dem Alten nicht mehr lange gut geht. Da habe ich mein Musikstudium eben auf Eis gelegt und bin hergekommen.«
    »Das tut mir Leid für Sie. Das mit Ihrer Mutter – und mit Ihrem Vater.«
    Ich konnte plötzlich nur noch flüstern.
    »Mir auch«, seufzte er. »Wir sehen uns dann übermorgen.«
    »Danke, danke.«
    »Ich habe zu danken.«
    Und dann legte er auf.
    Wofür bedankst du dich denn, Junge? Dass man dich aus dem schönen Wien weggeholt hat, weil deine Mama wahlweise durch einen ostasiatischen Grippevirus oder einen übereifrigen Todesengel gestorben ist? Oder weil dein Säuferpapa, Ex-Kriminaler, in Selbstmitleid und Cognac versinkt?
    Kajo, so schien es jedenfalls, schaute nach vorn. Er hatte etwas beruhigend Undramatisches an sich. Aber genau so war die Prusseliese auch immer gewesen. »Gestern war, morgen macht Gott, heute bist du dran«, hatte sie mir mal lachend ihre Lebensphilosophie erklärt. Wahrscheinlich hatte Kajo, das Rotbäckchen, diese Weisheit mit der Muttermilch eingetrichtert bekommen. Und Blaschke, die Cap Anamur von Bochum, schien sich ja hier mit Begeisterung um alle zu kümmern. Gutmenschen konnten mir tierisch auf die Nerven gehen. Ich knallte den Hörer auf die Gabel.
    Matti stand mit seiner Kaffeetasse plötzlich wieder auf dem Treppenabsatz.
    »Wo war er eigentlich, als seine Mutter beerdigt wurde, Matti?«
    »Er hat gespielt. Sie haben ihn nicht gesehen, weil er an der Orgel gesessen hat.«
    »Das hätte ich nicht gekonnt. Auf der Beerdigung der eigenen Mutter.«
    Herr Matti sagte nichts. Er war schon wieder auf dem Weg nach unten.
    »War das Ihre Idee, dass er heute hier vorbeikommt?«
    Herr Matti blieb stehen und nickte.
    »Gute Idee. Sie hätten mir aber dieses elende Orgel-Casting ersparen können.«
    Er zuckte mit den Schultern und verschwand. Wie sollte ich bloß mit ihm über B & B ins Gespräch kommen? Ich musste eine geeignete Situation abwarten. Hier mit ihm darüber zu reden, würde zu nichts führen. Außerdem konnte der Kugelfisch jeden Augenblick wieder auftauchen.
    Ich koordinierte noch die restlichen Angelegenheiten für übermorgen. Es war mittlerweile kurz vor sechs. Von unten war kein Geräusch zu hören. Draußen schneite es immer noch. Ich hielt es vor Neugierde nicht mehr aus. Wie eine Irre stürzte ich mich auf den Reißwolf. Der Auffangbehälter war leer. Hatte Herr Matti gnädigerweise den Inhalt weggeworfen, in der Sorge, ich könnte nicht an mich halten? Enttäuscht klappte ich den Reißwolf wieder zu. Die Tüte musste doch noch irgendwo sein.
    Ich zog mir meinen Mantel an und stiefelte nach draußen, um in den Mülltonnen zu wühlen. Und richtig. Da war ja die Tüte mit den Papierschnipseln. Ich stapfte wieder zurück, gerade rechtzeitig, denn Sommer bog mit seinem Auto in die Einfahrt ein. Ich verstaute die Mülltüte auch noch in meiner Tasche und pflanzte mich wieder hinter dem Schreibtisch auf. Hastig sortierte ich Papiere auf dem Tisch, wo es nichts mehr zu sortieren gab, legte die abzuzeichnenden Überweisungsträger und Bestellungen auf Sommers Schreibtisch und wartete, bis er die Treppe hinaufkäme, um mich für heute zu verabschieden.
    Sommer kam aber nicht herauf. Also ging ich hinunter. Die Schiebetür stand einen Spalt breit offen, so konnte ich hören, dass Sommer und Herr Matti eine kleine Auseinandersetzung hatten. Soweit ich es mir aus den Wortfetzen zusammenreimen konnte, ging es um Weihnachten und dass Herr Matti ein paar Tage frei machen sollte, was er aber nicht wollte.
    Seltsames Gespräch, dachte ich, stapfte wie immer mit den Füßen laut auf der Treppe auf und rief kurz ein Tschüss hinunter. Sommer kam aus dem Arbeitsraum gefegt und rannte mich beinahe um. Seine graue Haarpracht war durcheinander geraten, und seine Bäckchen zitterten schon wieder wie Pudding.
    »Diesem Finnen muss man die Arbeit schriftlich verbieten. Will seinen Urlaub nicht nehmen. Hat man so was schon gehört?«
    Ich sah ihm verdutzt nach, wie er zwei Treppen auf einmal nahm. Da ich in der letzten Zeit fast wieder mein Normalgewicht erreicht hatte, brauchte ich noch nicht einmal meinen Bauch einzuziehen, um ihn vorbeizulassen.
    »Er will nicht mal drei Tage, sagt er. Er braucht keinen Urlaub, sagt er. Jeder Mensch braucht doch Urlaub!«
    »Soll ich mal mit ihm …?«
    »Brauchen Sie nicht.

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