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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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Er wird – wie letztes Jahr auch und das Jahr davor – Weihnachten und Silvester und Neujahr da unten sitzen. Auch wenn nichts zu tun ist. Die ganze Zeit – und ich werde wieder keine Ruhe haben, um meinen Jahresabschluss zu machen.«
    »Aber wenn es Arbeit gibt«, versuchte ich einzulenken, »dann ist er gleich da.«
    »Mir würde es völlig reichen, wenn ich ihn anrufen könnte.« Sprachlos folgte ich dem nörgelnden Sommer nach oben.
    »Aber! Man kann ihn nicht anrufen, weil er ja kein Telefon hat. Ich musste ihn sogar überreden, den Piepser mitzunehmen für die Nächte, sonst würde er auch noch hier schlafen. Vermutlich in einem Sarg!«, Sommer holte tief Luft. »Dieser Mann ist ein Irrer!«
    »Herr Sommer. Jetzt beruhigen Sie sich …«
    »Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen, Frau … Frau …«, fiel er mir unwirsch ins Wort.
    »Abendroth«, half ich ihm aus, »schönen Abend noch, Herr Sommer.«
    »Ja, ja. Frau … ähh …«
    Ich ließ Sommer in seinem Elend jetzt lieber alleine und trat den Rückzug an.
    Minuten später stand ich an der Straßenbahnhaltestelle in Richtung Stadtmitte und war nicht zufrieden. Es war noch zu früh, um zu Wilmas Salon zu fahren. Sie hatte vor Weihnachten immer bis 20 Uhr geöffnet. Also was sollte ich mit dem angebrochenen Abend jetzt machen? Medienregel Nr. 2 Absatz b) sagt: Wenn man vorne rausfliegt, geht man als guter Rechercheur durch die Hintertür wieder rein.
    Ich marschierte zum Lieferanteneingang, unschlüssig, wie ich das Gespräch mit Herrn Matti wohl beginnen sollte. Da ging auch schon die Tür auf, und Herr Matti stand in einem Mantel, den ich nicht unbedingt als wintertauglich bezeichnen würde, vor mir. Wahrscheinlich machten die Finnen bei unseren Wintertemperaturen gerade ihre Freibäder wieder auf.
    »Gehen Sie heim, Herr Matti?«
    »Ja«, sagte er mürrisch.
    Also jetzt: Augen zu und vorwärts, Margret.
    »Darf ich Sie ein Stück begleiten? Ich muss mit Ihnen sprechen. Jetzt!«
    »Hmph.«
    Na, das konnte ja eine feine Unterhaltung werden.
    »Wo wohnen Sie eigentlich?«
    Das war ein Frontalangriff, aber mal sehen, wohin er führte.
    »Da.«
    Er wies mit seinem dünnen Finger quer über die Straße auf ein nichtssagendes, hässlich gelb geklinkertes Mietshaus. Vermutlich 60er Jahre und asbestverseucht bis unters Dach.
    »Ist ja nicht weit.«
    Da Herr Matti stur am Straßenrand stehen blieb, obwohl kein Auto kam, stellte ich mich neben ihn. Na gut, er wollte es ja so – gab ich eben den sprechenden Schatten.
    »Herr Matti, laden Sie mich doch bitte einfach auf einen Kaffee ein. Ich möchte nicht morgen in einer Schneewehe aufwachen.« Ich lehnte mich weit aus dem Fenster, aber irgendwie musste ich mit ihm doch zu Potte kommen. Endlich setzte er sich, ohne ein weiteres Wort der Zustimmung, in Bewegung. Ich schlidderte hinterher und folgte ihm die 50 Meter zu seinem Haus. Ein bisschen aufdringlich fand ich mich schon, aber was sollte gediegene Zurückhaltung jetzt noch bringen? Außerdem fand ich, dass ich zu Recht stinksauer auf ihn sein durfte und ein Anrecht auf Antworten hatte.
    Herr Matti ging in die Küche. Wieder folgte ich ihm unaufgefordert. Ich setzte mich an den Küchentisch und ließ meinen Blick schweifen.
    So eine Kargheit hatte ich lange nicht gesehen. Die Möbel sahen aus wie vom Sperrmüll. Altes resopalbeschichtetes Zeug, plastikbezogene Küchenstühle, nichts passte zusammen. Schlimmer als bei mir, stellte ich fest, bloß sauberer.
    »Im Wohnzimmer ist es gemütlicher«, sagte er. Konnte der Mann Gedanken lesen?
    Auf einem alten verschrammten Nussbaum-Sideboard standen mindestens 20 gerahmte Bilder. Vermutlich seine im Koma liegende Frau. Vor dem Unfall, versteht sich. Ich setzte mich in einen durchgesessenen grünen Sessel. Eine Couch, dunkelrot, gab es auch und einen leeren, verstaubten Vogelkäfig, der am Fenster stand. Auch hier passte kein Möbelstück zum anderen, aber es war immerhin kuschelig warm.
    Matti setzte sich nicht. Er stand unschlüssig im Türrahmen. Ich zeigte auf die Bilder auf dem Sideboard.
    »Ist das Ihre Frau?«
    »Trinken Sie Tee?«, fragte er mich tonlos.
    Soll ich jetzt zwei Stunden mit Herrn Matti um den heißen Tee herumtanzen? Ich ging zum Angriff über:
    »Herr Matti, ich will gar nichts, außer ein paar Antworten. Sie sind nicht ehrlich zu mir. Sind Sie wirklich der stille Teilhaber von Bartholomae?«
    »Ja.« Pause. »Ich mache Tee.«
    »Herr Matti, und ich meine es bitterernst, keine Zeit für Tee.

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