totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
beiden zu einigen, und Raoul sagte nur noch: »Iss werde verssuche und Tante Emela auch. Iss melde mir wieder. Adéu!«
Was war denn nur in Wilma gefahren? Vermutlich die schiere Panik. Das wäre die einfachste Erklärung. Das hatte sie nun davon. Ohne ihre Freunde, fern der Heimat, in einem, wie ich vermutete, abgelegenen pittoresken katalanischen Bergdorf, viele Kilometer vom schicken Barcelona entfernt, aber mit dem festen Willen, ihre Heiratspläne dort zum Abschluss zu bringen. Da konnte sie mal sehen, wie das ist, ein Niemand zu sein. In diesem Dörfchen kannte keiner das Ex-Model und die derzeitige Friseurgroßmeisterin Wilma Korff, und es scherte wahrscheinlich weder Tante Emela noch alle anderen Tanten und Onkels, welche Labels Wilma an ihre 1,85 hängte und ob sie eine Eistorte bekam oder nicht. Ich guckte Doktor Thoma an, der mir den Weg in die Küche versperrte, und sagte: »Weißt du, ich empfinde doch Belustigung bei dem Gedanken daran – Wilma verratzt in Villariba.«
»Maoooo«, gab Doktor Thoma von sich, und es klang kläglich.
»Was ist? Stimmt was mit dem Service nicht?« Ich stieg über den Kater hinweg, betrat die Küche und verlängerte auf der Stelle im Geiste meine Einkaufsliste für Montag um mehrere Meter. Die Kühlschranktür stand offen, der Fußboden war übersät mit Papier und Plastikfetzen. Was darin gewesen war, befand sich nun in Doktor Thomas Magen.
Ich raufte mir die Haare. »Das ist unser Todesurteil! Noch habe ich keine eigene Wohnung, du verrücktes Vieh!« Ich fiel auf die Knie und klaubte unter der Spüle ein Fitzelchen Salami hervor. Doktor Thoma kam mit einem Satz auf mich zu und biss mir in den Finger.
»Du verfressener Pelzsack! Räum gefälligst auf, wenn du hier schon solche Orgien feiern musst.«
Statt einer Antwort rülpste er laut, leckte sich die Schnauze und schlug mit dem Schwanz auf den Boden.
Aus der Ecke neben dem Besenschrank kam ein klägliches Maooo. Mein Kopf flog herum, ich starrte den Kater an. Der machte runde Augen und drehte die Ohren nach hinten. Dann lugte ich um die Ecke und sah eine zierliche, weiße Katzendame, die sich zwischen Schrank und Wand gequetscht hatte. »Oh, wir haben also Besuch! Doktor Thoma hat zum Essen eingeladen ... Komm da raus, Pussy, oder ich rasier dir die Schnurrhaare.«
Ich kickte die Küchentür mit dem Fuß zu, riss das Küchenfenster auf und scheuchte beide Katzen hinaus. Doktor Thoma landete mit einem dumpfen Plumps auf Gerrits Terrasse. Ich rannte ins Bad, schloss dort das Fenster, um die Rückkehr der Raubtiere zu vereiteln, und machte mich an die Aufräumarbeiten, die eine Komplettreinigung des Kühlschranks und des Fußbodens einschlossen. Danach war ich völlig geschafft und hungrig wie ein Wolf. Aber wohin sollte ich gehen? Das
Café Madrid
verbot sich eigentlich von selbst. Einen Abend mit einem muffeligen Kai-Uwe Hasselbrink zu verbringen war ein noch selbstmörderischer Gedanke, als hier auf Winnie zu warten, der irgendwann nach Hause kommen würde, den Kühlschrank leer vorfand und dann wahrscheinlich von seiner Dienstwaffe Gebrauch machen würde, wenn ich ihm beichten müsste, dass Doktor Thoma seinen geliebten Erdbeersahnejoghurt mit einer Katzendame geteilt hatte. Ich entschied mich dann doch für das
Café Madrid
. Von was mir jetzt genau schlecht würde, war eh schon egal.
Manche Entschlüsse bereut man sofort – manche etwas später. Die Kneipe war leer, und kalt war es auch. An unserem Stammtisch saß Elli und trank Bier. Sie war ungeschminkt und ihr Outfit, bestehend aus einem alten pinkfarbenen Wollpullover in der Größe eines Familienzeltes, darunter Leggins in Kermit-Grün und Lacksandalen, in denen sie noch nicht einmal Strümpfe trug, sprach Bände und ließ niemanden über ihren Gemütszustand im Unklaren.
Kai-Uwe hatte sich hinter der Theke in Sicherheit gebracht und sagte übertrieben freundlich: »Ach, Maggie. Wie schön, dich zu sehen. Soll ich dir ein Spiegelei mit Bratkartoffeln machen? Einen Kaffee? Ich lade dich ein.«
Ohne meine Antwort abzuwarten, eilte er in die Küche. Ellis Kopf drehte sich sehr langsam in meine Richtung. Ihre Augen hatten einen glasigen Schimmer und ihr Gesicht wirkte bei aller Fülle grau und eingefallen. Ich wusste nicht, was tun, und ging hinter die Theke, um mir einen Espresso zu machen.
»Mach mir noch’n Bier, aber zacko«, sagte Elli und ihre Stimme klang tief und grollend.
Ich schob eine weitere Tasse unter die Espressomaschine und sagte:
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