totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
seinen Kopf fest und drehte ihn in meine Richtung, damit er mich angucken musste. »Nein. Ich habe gar kein Telefon. Und ich renne jetzt auch nicht auf die Straße und schrei um Hilfe. Also, wenn es so ist, wie du sagst, dann bist du es nicht gewesen. Aber wenn du es nicht warst, dann war es jemand anderer … irgendjemand …«
»Der so aussieht wie ich? Ein Doppelgänger!«, flüsterte er und hielt meine Handgelenke fest. »Ja, das war bestimmt ein Doppelgänger!«
Doktor Thoma fauchte, als Rudi voller Enthusiasmus aus dem Stuhl sprang und ich beinahe hinfiel, weil er plötzlich meine Hände los lies.
»Nee, Rudi, nicht ganz. Ein Doppelgänger kann es nicht gewesen sein – der hätte nicht deine DNA. Die ist einzigartig.«
»Also war ich das doch?«, sagte er und fiel wieder in sich zusammen. »Ich muss verrückt sein. Schizo. Oder was? Bin ich so einer mit multiplen … wie heißt das noch? Dingens?«
»Glaube ich nicht. Aber du hast mich da auf was gebracht … Ich habe eine andere Idee. Ich weiß nicht genau, ob ich da richtig liege. Das werde ich googeln müssen.«
»Ja, was denn?«
»Ein Zwillingsbruder, eventuell.«
»Ich habe aber gar keinen Bruder. Das wüsste ich doch!«
»Sicher?«
»Ja, was denn? Ich wär’ doch mit dem zusammen in einem Bauch gewesen. Das kriegt man doch mit.«
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. »Also Rudi. Das kriegt man eben nicht mit. Du weißt doch noch nicht mal, was du vorige Woche Mittwoch gegessen hast, wie willst du wissen, mit wem du dir eine Gebärmutter geteilt hast. Das ist dreißig Jahre her.«
»Ja, stimmt auch wieder irgendwie. Gehst du jetzt googeln?«
»Noch nicht.«
Ich kramte aus meiner Reisetasche ein neues Notizbuch, das Winnie mir zum Geburtstag geschenkt hatte, und schrieb:
1. Hat Rudi so einen Teppich besessen?
Er verneinte die Frage. Weder hatte er einen besessen, noch hatte er je einen bestellt, noch hatte er jemals irgendwas bei Quality-TV bestellt.
Ich ermahnte ihn, mir die Wahrheit zu sagen, denn wenn herauskam, dass er doch ein Kundenkonto bei Q-TV hatte, dann würde das nicht zu seinen Gunsten ausgelegt.
»Wenn ich es dir doch sage. Was soll ich mit dem Kram von denen?«
»Okay, das ist ein Pluspunkt für dich.« In vielerlei Hinsicht.
»Na toll.«
»Wenn ich mich recht erinnere, hat der Typ auf dem Foto, den Elli für dich hält, eine karierte Jacke an.«
»Hab ich nicht. Nie besessen. Das hab ich Elli auch gesagt. Ich hab gesagt: ›Guck mal, ich hab so ’ne Jacke nicht. Und wie soll ich eine Jeans anhaben, wenn ich keine Viertelstunde später bei dir in meiner Bestatterkluft auftauche.‹ Maggie, du weißt doch, was ich an dem Abend anhatte.«
Ich nickte. Schwarze wattierte lange Jacke mit Kapuze, dunkelgrauer Maßanzug mit Krawatte und Hemd mit dunkelgrauen Nadelstreifen. Auch das schrieb ich auf.
»Schade, dass das Foto so unscharf war. Man konnte nur erkennen, dass der Typ eine Wollmütze aufhatte. Trägst du auch oft … aber schwarze Wollmützen gibt es wie Sand am Meer.«
»Der sah mir schon ähnlich«, sagte Rudi.
»Wo bist du geboren?«
»In Wattenscheid, im Elisabeth.«
»Wann?«
»Lach jetzt nicht: am 13.3.1973. Was ein Freitag war.
»Das erklärt natürlich einiges. In welchem Kinderheim warst du?«
»In verschiedenen. Mal in Bochum. Ich war auch in einem in der Nähe von Münster. War auch kacke.«
»Wie heißt deine Mutter?«
»Margot Wevelsiep. Aber später hat sie den Rolinski, das alte Arschloch, geheiratet, und deswegen heiße ich Rolinski. Der ist aber nach drei Jahren gestorben.«
»Und du hast gar nicht bei denen gewohnt?«
»Nee – Kinderheime. Ich weiß da aber nicht viel drüber – ich war wohl noch gar nicht ganz raus aus der Frau, da war ich schon im Heim. Dann mal wieder ein paar Wochen bei Pflegeeltern, dann wieder weg. Ich hab die Mutter erst wiedergesehen, da war ich schon fast neunzehn. Und wie das geendet ist, weißt du ja.«
»Weißt du noch, wie deine Pflegeeltern hießen?«
»Klar, das vergisst man nicht. Brenner. Monika und Günther Brenner aus Wattenscheid-Günnigfeld.«
»Warum haben sie dich nicht behalten?«
»Ging nicht. Günther kriegte mit vierzig einen Schlaganfall. Danach war nur noch Chaos. Meine Pflegemutter hat die ganze Zeit geheult. Günther war ein Pflegefall, und irgendwann ist das Jugendamt gekommen und hat mich abgeholt. Also nicht, dass die mich vernachlässigt hätte oder so … Aber war ja nix mehr mit Adoption … Wenn die mich
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