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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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zuckte die Schultern. »Ein Freund des großen Mannes.«
    Der große Mann. Der große Mann. Er fischte nach der Erinnerung, doch sie ließ sich nicht einfangen. Mit ausdrucksloser Miene starrte er das Mädchen an.
    »Andrew«, sagte sie leise.
    Andrew .
    Dann kehrte die Erinnerung zurück. Der ganz in Schwarz gekleidete Mann. Der große Mann. Der Mann, der dabei gewesen war, als sie seine Zähne gezogen hatten.

    Er warf Rose einen Blick zu. »Ich kann mich …«
    »An nichts erinnern?«
    Er zögerte, weil ein Teil von ihm Angst hatte, es zuzugeben. »Ja.«
    »Ja, hm. Genau so machen sie es«, erklärte sie. »Auf diese Art bringen sie dich dazu, zu vergessen, was du getan hast. Willst du einen guten Ratschlag?«
    Wieder sicherte sie sich mit einem Blick zur Tür ab.
    »Halte so viele Erinnerungen wie möglich fest, denn wenn sie erst mal weg sind, kommen sie nicht wieder.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, dass du irgendwann alles vergessen wirst.«
    »Alles vergessen?«
    »Alles, was du getan hast.«
    »Was muss ich denn vergessen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Was musst du vergessen?«
    Sie betrachtete ihn eine Weile, als ob sie versuchte, selbst auf die Antwort zu kommen, dann konzentrierte sie sich wieder auf die Tür. Auf ihrer bleichen Haut zeichnete sich der Bluterguss dunkel ab wie verschüttete Tinte. Er malte sich aus, dass sie Schmerzen haben musste. Höllische Schmerzen sogar.
    »Hat der Mann mit der Maske dich verletzt?«
    Rose schaute an sich hinunter und tastete mit der freien Hand nach ihrem Rücken. Mit den Fingern strich sie über ihre Haut.
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ich hab versucht zu fliehen.«
    »Wovor wolltest du fliehen?«
    »Was glaubst du wohl? Vor diesem Ort. Vor dem Programm.«
    »Dem Programm?«

    Ein Knarzen im Flur.
    »Rose?«
    Sie legte einen Finger auf die Lippen und schaute angestrengt ins Dunkel vor der Tür.
    »Ehrlich, du musst still sein«, sagte sie schließlich. »Er überrascht einen gern. Er beobachtet gern. Gib ihm einen Vorwand, und er tut dir weh.« Sie hielt inne und tastete wieder nach ihrem Bluterguss. »Ich habe die Leute beobachtet, die dabei helfen, diesen Laden am Laufen zu halten. Die meisten glauben noch an irgendetwas. Sie scheinen immer noch bestimmte Regeln zu befolgen. Aber der Teufel … Keine Ahnung, an welche verdammte Sache er glaubt.«
    Wieder warf Rose einen Blick nach draußen.
    »Er wird dir wehtun«, sagte sie leise. »Und er wird mir wehtun. Das ist seine Aufgabe hier.«
    Sie stockte. Blinzelte. »Manchmal glaube ich, dass er wirklich der Teufel sein könnte.«
    Klick.
    Sie beide schauten in die Ecke des Raumes. Ins Dunkel. In die einzige Ecke, in die kein Licht drang.
    Dann kroch eine Kakerlake aus der Nacht heraus.
    Als sie über den Boden huschte, machte ihr Körper klickende Geräusche. Das Mädchen starrte das Insekt an, und ihr Mund stand offen. Sie fing an zu schluchzen, wich zurück zur Wand, wobei ihre Handschellen klapperten.
    »Willst du sie retten, Kakerlake ?«
    Eine Stimme aus der Schwärze der Nacht.
    Er schob sich, auf seinem Hintern sitzend, so nahe an die Wand, wie er konnte. Wasser lief über seinen Rücken. Und selbst von der anderen Seite des Raumes her konnte er den Mann mit der Maske jetzt riechen: ein entsetzlicher, fauler Gestank. Wie ein totes Tier.
    In der Ecke des Raumes tauchte ein Stück von einem
Horn auf, das aus der Stirn einer roten Maske spross. Ansonsten herrschte dort völlige Dunkelheit.
    »Was wirst du tun, Kakerlake?«, fuhr die Stimme fort, eine fleischige, gutturale Stimme. »Ausbrechen und sie mitnehmen?«
    Gelächter, gedämpft durch die Maske. »Andrew hat mir immer wieder gesagt, dass du anders behandelt werden müsstest. Das war allerdings nie meine Meinung. Du bist ein Fehler. Du passt hier nicht her. Du machst die Dinge komplizierter; stellst dich gegen alles, was wir aufgebaut haben. Und du hältst dich an der jämmerlichen, beschissenen Existenz fest, die du ein Leben genannt hast, und bist nicht bereit, loszulassen. Wenn überhaupt, dann sollten wir dich schlechter behandeln.«
    Mehr von der Maske tauchte aus der Dunkelheit auf: ein Augenloch.
    »Ich habe niemals mit Andrew darin übereingestimmt, dich nicht in das Programm zu stecken. Ich habe, wohl oder übel, meinen ganzen Einfluss dafür geltend gemacht, dich wieder auf den Boden zu holen. Gaaaaannnz bis auf den Boden.«
    Ein zweites Augenloch. Jetzt war die Maske zur Hälfte zu erkennen.
    »Und jetzt habe ich mein Ziel erreicht.

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