Totgesagt
noch frischen Mutes war und glaubte, die Zuneigung zu seiner Tochter könne ein Ausgleich für den Mangel an Liebe zu seiner Frau sein.
Schon fuhr er liebevoll mit der Fingerkuppe über die Taste, über die er die automatische Verbindung mit seiner Kleinen herstellen konnte. Das Problem war nur: Falls er tatsächlich anrief, bestand die Gefahr, dass sie ihn erneut abblitzen ließ. Antoinette sorgte dafür, dass Maria tagtäglich per Mängelliste zu hören bekam, was für ein Versager ihr Dad doch sei. Ein Weiberheld und Säufer, der ihr die besten Jahre gestohlen habe. Dabei hatte er seitdem nur mit zwei, jetzt drei Frauen geschlafen. Dabei war Antoinette dem Alkohol selbst nicht abgeneigt und kokste auf ihren Partys, von anderen Drogen mal ganz abgesehen. Und was ihre gestohlenen besten Jahre anging: Die hatte sie ihm doch freiwillig geschenkt.
Er kannte all diese Vorwürfe zur Genüge. Maria hatte sie ihm berichtet, weil sie unbedingt wissen wollte, ob sie stimmten. Leider Gottes wandte sie sich inzwischen nicht mehr an ihn, wenn sie Sorgen hatte. Sie war endgültig den vergifteten Reden ihrer Mutter gefolgt.
Sich noch einmal anzuhören, was seine Tochter schon beim letzten Gespräch gesagt hatte, das konnte er nicht ertragen. Schon drauf und dran, sein Handy deswegen wieder einzustecken, überlegte er es sich im letzten Moment doch noch anders und drückte die Taste.
Am anderen Ende klingelte es mehrere Male, ehe jemand abnahm.
“Hunter? Hast du mir schon meinen fälligen Scheck geschickt?”
Antoinette. Ihrer Ruferkennung funktionierte anscheinend tadellos.
Er gab keine Antwort. Es fiel ihm sowieso keine ein. Immer rang er nach den richtigen Worten – um sich zu versöhnen, die Scharte auszuwetzen, die Wende herbeizuführen.
Worte, die ihm offenbar nie einfielen.
“Wenn du denkst”, giftete sie, “du kämst diesen Monat ohne Unterhaltszahlung davon, nur weil du mir letzten Monat ein bisschen was draufgelegt hast, dann hast du dich geschnitten! Es war schließlich Maria, die nicht mit dir nach Hawaii fahren wollte. Mir kannst du das nicht in die Schuhe schieben. Ich hatte nichts damit zu tun.”
Er nahm es ihr sehr wohl übel. Richtig treffen konnte sie ihn nämlich nur auf eine Weise: über die Kleine. Deshalb setzte sie Maria bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Waffe ein. Die Frau, die einmal behauptet hatte, sie liebe ihn mehr als alles auf der Welt, die so verrückt nach ihm gewesen war, dass sie sogar mal einen Privatdetektiv auf ihn angesetzt und in ihrem Verfolgungswahn sogar sein Telefon verwanzt hatte – diese Frau hasste ihn nun in gleichem Maße.
“Ist sie da?” Blicklos starrte er über die Rasenfläche vor Madelines Cottage.
“Ja, aber sie möchte nicht mit dir sprechen.”
Er holte tief Luft und nahm sich zusammen. “Kannst du sie nicht mal fragen?”
Eine lange Pause folgte. “Warte mal”, murmelte sie muffig, als verlange er wer weiß was von ihr.
Es dauerte exakt neunundachtzig Herzschläge, ehe sie sich wieder meldete. “Sie will wissen, warum du anrufst. Und ich soll dich an dein Versprechen erinnern.”
“Mein Versprechen?”
“Sie in Ruhe zu lassen.”
“Das habe ich nur versprochen, weil sie mich drum bat.”
Ich halte dieses Hin und Her nicht mehr aus. Hör auf damit. Lass mich in Frieden!
“Dann halte dich gefälligst dran!”, sagte Antoinette knapp. “Es geht ihr nämlich prima. Wir verstehen uns prächtig.”
“Und das war’s dann?”
Offenbar konnte sie mit seiner Art nicht viel anfangen. Wie er sie kannte, überlegte sie wahrscheinlich krampfhaft, wie sie von seiner gegenwärtigen Stimmung am besten profitieren konnte. Vermutlich machte es sie hellhörig, dass er sich mit der Situation abfand. Gab er nämlich auf, hatte sie keine Macht mehr. Hätte sie sonst noch etwas gegen ihn in der Hand gehabt – er hätte längst zu allem Ja und Amen gesagt, bloß um sie loszuwerden. Nur ging es hier, verdammt noch mal, um seine Tochter!
“Kann sein, dass sie es sich noch anders überlegt. Aber nicht, wenn du den dämlichen Scheck nicht schickst”, leierte Antoinette weiter. “Oder haust du neuerdings dein ganzes Geld mit Selena auf den Kopf?”
Das sagte sie wider besseren Wissens. Sei jener Nacht vor zwei Jahren hatte er mit der Nachbarin nichts mehr zu tun gehabt. Damals war er zu betrunken gewesen, um sich der liebevollen Zuwendung der verständnisvollen Selena entziehen zu können. Vermutlich nahm Antoinette nun an, es gehe ihm nicht
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