Totgesagt
Pontiffs Seitenhieb. “Die Lage hat sich verändert”, erklärte er. “Angefangen mit der Bergung des Cadillacs und den Sachen aus dem Kofferraum. Der Fall wird neu aufgerollt, und das macht jemanden ziemlich nervös.”
“Und der kann nur Clay sein”, stellte Radcliffe fest.
“Mensch, von dem habe ich die Kisten doch überhaupt erst gekriegt!”, fuhr Madeline ihn an. “Wieso sollte er sie dann zurückklauen?”
“Vielleicht ist ihm eingefallen, dass da was Besonderes drin war.”
“Unwahrscheinlich”, meinte Hunter.
“Finden Sie das nicht komisch, dass der Einbrecher genau wusste, wo er nachsehen musste?”, fragte Radcliffe.
Das war Madeline auch schon aufgefallen. Nur wenige kannten ihren Keller – Hunter, Kirk, ihre Familie sowie Ray Harper, der ihr vor einigen Monaten ein paar Regale aufgestellt hatte.
“Clay war’s nicht”, versicherte Hunter. “Wenn der Karton mögliches Belastungsmaterial enthielt, hätte er das schon längst vernichtet. Außerdem waren wir gestern Abend zusammen.”
Madeline guckte zu ihm hoch. Hatte sie das richtig gehört? “Wie bitte?”
“Wir waren einen trinken”, erklärte er, noch immer an Pontiff gewandt. “Die Kellnerin in der Billardkneipe kann das bezeugen.”
“Wann sind Sie denn gegangen?”, fragte Toby Pontiff.
“Kurz bevor ich hierhergekommen bin.”
“Und Clay?”, hakte der Chief nach.
Madeline spürte, dass Hunter nicht sonderlich scharf darauf war, die Frage zu beantworten. “Etwa anderthalb Stunden vor mir.”
“Dann war er zum Zeitpunkt des Einbruchs allein”, unterstrich Pontiff süffisant. “Und hätte somit kein Alibi.”
Hunter ging um den kleinen Tisch herum, der zwischen ihm und Pontiff stand. “Der ist es nicht gewesen, glauben Sie’s mir.”
Auf Pontiffs Stirn zeigten sich tiefe Falten, vermutlich aus Gereiztheit und Aversion. “Vielleicht war es ja so, dass das Material aus dem Karton nur zusammen mit den Gegenständen aus dem Cadillac belastend ist. Eventuell ging der Täter davon aus, dass wir den Wagen nie finden würden.”
“Nein.” Hunter schüttelte den Kopf.
“Was macht Sie da so sicher?”
“Clay hätte sich die Kisten doch viel einfacher besorgen können als durch ‘nen Einbruch bei Madeline. Zumal noch mitten in der Nacht.”
“Woher nehmen Sie diese Weisheiten?” Pontiff war sichtlich perplex. “Sie sind doch erst knapp zwei Tage hier!”
“In zwei Tagen kann eine Menge passieren.” Hunters Blick zuckte kurz hinüber zu Madeline, die genau wusste, worauf er mit der Bemerkung anspielte. “Im Übrigen”, ergänzte er, “würde Clay es nicht riskieren, Madeline Angst zu machen – oder selbst erwischt zu werden.”
“Meines Erachtens hinge das davon ab, wie scharf er auf den Karton ist”, warf Radcliffe ein. “Wie den meisten Kriminellen sitzt ihm das Hemd vielleicht näher als die Jacke.”
“So überzeugt sind Sie von seiner Schuld?”, fragte Hunter.
Radcliffe blitzte ihn giftig an. “Klar ist er schuldig! Weiß doch die ganze Stadt!”
In Hunters Wange zuckte es. “Hat die Polizei deshalb versucht, ein Geständnis aus ihm rauszuprügeln?”
“Ich weiß nicht, wovon Sie reden”, gab Pontiff zurück.
“Lesen Sie mal die Vernehmungsprotokolle”, riet Hunter ihm.
“Habe ich. Da gibt’s keinerlei Hinweise, dass er auch nur ein einziges Mal geschlagen worden wäre.”
“Dann gucken Sie mal genau hin. Die geschwärzten Passagen empfehle ich Ihnen zur besonderen Beachtung.”
Pontiffs Gesicht bekam hektische Flecken. “Was bilden Sie sich eigentlich ein, verdammt noch mal?”, polterte er los. “Sie kommen hier angesegelt, schmeißen mit Vorwürfen um sich und machen meine Kollegen mies! Schaffen Sie erst mal Beweise an! Aber an denen hapert es, nehme ich an.”
“Wir könnten ja Clay fragen”, schlug Hunter vor.
“Als ob wir dem trauen könnten!”, höhnte Radcliffe, wobei er Hunter den ausgestreckten Zeigefinger vor die Brust stieß. “Ohne Beweis haben Sie nichts in der Hand!”
Hunter wischte den Arm beiseite und blockierte auch den von Radcliffe angesetzten Hieb.
“Radcliffe!”, blaffte Pontiff.
Madeline wollte dazwischenfahren und setzte so hastig ihren Becher ab, dass der Tee um ein Haar übergeschwappt wäre. “Das reicht!”, schimpfte sie. “Was soll die Streiterei hier? Warum geht ihr nicht und schaut nach, ob Clay eine Schnittwunde hat? Wenn, dann kommt zurück und gebt mir Bescheid. Wenn nicht, hört mit den Verdächtigungen auf, bis ihr
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