Totgesagt
vom zerschlagenen Fenster durch die Küche bis runter in den Keller.”
Bei dem Wort Blut merkte Clay, wie sich ihm vor Angst der Magen zusammenkrampfte. Wer hatte es dermaßen nötig, in Madelines Haus einzubrechen, dass er dann auch noch blieb, obwohl er sich verletzt hatte? Und wen außer Madeline kümmerten schon Barkers Nachlass?
Stopp sie, sonst mache ich’s …
Wobei stoppen? Bei der Suche nach der Wahrheit? Sollte die etwa nicht ans Licht?
Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass sich jemand durch Madelines Hartnäckigkeit bedroht fühlte. Clay hatte damals Barkers Leiche im eigenen Keller verscharrt, und deshalb war er gleichsam an seine Farm gefesselt. Es war sein Geheimnis, sein Problem. Niemandes sonst. Was also sollte der Warnbrief?
“Das reicht mir voll und ganz”, brummte Pontiff und trollte sich zu seinem Einsatzwagen.
Die Befragung war vorbei, anscheinend zu Pontiffs Zufriedenheit. Dennoch hatte Clay das Gefühl, als gehe etwas nicht mit rechten Dingen zu. Und dass die städtische Polizei dahinterkommen könnte, das traute Clay ihr nicht zu.
Blieb nur Hunter.
Clay wollte es selber nicht fassen, dass er es überhaupt in Betracht zog, aber er wusste, er kam nicht darum herum. Madeline zuliebe musste er das Schreiben mit der Warnung einem anderen übergeben. Dem Mann, der ihn vernichten konnte.
Es war kalt in dem Wohnwagen. Als hätten Türen und Fenster stundenlang offen gestanden. Eine Frau hockte weinend und mit vor das Gesicht geschlagenen Händen auf der ausgefransten Couch.
Madeline erkannte sie als Bubba Turks Schwester Helen, weil sie die beiden gelegentlich gemeinsam gesehen hatte, zusammen mit Helens halbwüchsiger Tochter. Die saß momentan neben ihr und versuchte, sie zu trösten. In dem ramponierten Wohnraum waren noch Chief Pontiff sowie Norman Jones, ein Neuling bei der Polizei, anwesend – und Ramona Butler von der Gerichtsmedizin. Pontiff und Ramona beugten sich gerade über Bubba Turk, der rücklings auf dem Fußboden lag und mit seinem massigen Körper den gesamten Raum einnahm, sodass der Chief und die Gerichtsmedizinerin kaum Platz zum Arbeiten fanden.
“Hi, Maddy”, grüßte Norman. Kreidebleich und sichtlich grün um die Nasenspitze, hielt er sich so weit wie möglich von dem Toten fern.
“Tag, Norm. Wo bleibt denn der Notarztwagen?”
“Ach, war überflüssig, die Jungs extra den weiten Weg herzubestellen. Schon als wir hier ankamen …” – er räusperte sich – “… war es zu spät.”
Bei dem Wortwechsel guckte Toby, der immer noch neben der Leiche kniete, über seine Schulter. “Wer hat dich denn hergerufen?”, fragte er.
“Deine Frau”, erwiderte Madeline. “Wir sind zufällig Freundinnen, falls du’s vergessen haben solltest.”
Er starrte sie einen Moment an und seufzte. “Hätte ich der das bloß nicht gesagt”, brummte er. “Ist sowieso schon rammelvoll hier drin.”
In den letzten paar Tagen hatte sich ihr Verhältnis spürbar abgekühlt. Als Rachel Simmons Leiche gefunden wurde, da hatte der Chief Madeline noch persönlich in Kenntnis gesetzt; aufgrund seiner Einladung war sie am Baggersee dazugestoßen. Jetzt, ganze zwei Wochen später, war ihm ihre Anwesenheit offenbar lästig.
Ihr Leben veränderte sich. Dass sie sich gegen Menschen wandte, die sie ihr Leben lang kannte, dass sie Hunter hergeholt hatte, all das ging auf Kosten dessen, was ihr einmal sehr viel bedeutet hatte: Familie, Freunde und sogar Kirk. Wer konnte schon sagen, wie oft sie sich versöhnt und wieder verkracht hätten, wäre Hunter nicht aufgetaucht? Trotz ihrer wachsenden Entschlossenheit hätte sie die Trennung nicht lange durchgehalten, jedenfalls nicht angesichts dieses ganzen Drucks. Erst der Vorfall hinter dem Baum hatte Madeline endgültig klargemacht: Es war tatsächlich aus und vorbei mit Kirk.
“Nur zur Erinnerung: Ich habe ein Recht darauf, benachrichtigt zu werden”, belehrte sie ihn, ebenso unwirsch im Ton wie er. “Ich vertrete die Presse.”
“Hier gibt’s nichts zu berichten.”
“Der Tod eines Mitbürgers lässt mich nun mal nicht kalt”, bemerkte sie spitz. Angesichts des Geruchs, der nicht nur von der Leiche ausging, sondern auch vom Wohnwagen selber, musste sie an sich halten, um nicht die Nase zu rümpfen. “Was ist also passiert?”
Ramona Butler vom rechtsmedizinischen Institut von Iuka County war eine kleine, knochendürre Frau, die am Rande der Kreisstadt eine kleine Pferdezucht betrieb. “Ich würde auf einen Herzinfarkt
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