Totgesagt
geschehen ist. Nur eben nicht um jeden Preis.”
“Wir reden doch nur über Geld. Was sind schon die paar Dollar, wenn wir dafür endlich Seelenfrieden finden?” Madeline tat das Lidschattendöschen in ihr Kosmetiktäschchen und kramte nach der Wimperntusche.
“Kannst du dir diesen Detektiv denn überhaupt leisten?” In Graces Stimme lag ein besorgter Unterton.
“Ich lasse ihn eben recherchieren, solange es irgend geht.” Irgendwo im Unterbewusstsein hörte Madeline bereits eine Uhr ticken. Es machte sie rasend. Sie konnte nur hoffen, dass dieser Solozano auf Antworten stieß, ehe sie einen Nervenzusammenbruch erlitt oder womöglich mittellos auf der Straße landen würde.
“Brauchst du vielleicht etwas finanzielle Unterstützung?”
Es war ein großzügiges Angebot. Allerdings durfte Madeline nicht von ihrer Schwester erwarten, dass sie eine private Ermittlung mitfinanzierte, an der ihr mit Sicherheit nicht gelegen sein konnte. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach würde Mr. Solozano sein Augenmerk zunächst auf Grace, die Mutter und den Bruder richten, alles Menschen, die sie lieb hatte. Erst wenn das große Fragezeichen ausgeräumt war, das die Montgomerys in aller Augen verdächtig wirken ließ, würde er seine Ermittlungen ausweiten.
“Danke, nein.” Sie guckte auf ihre Armbanduhr. Fast neun. “Ich muss los.”
“Vielleicht besprichst du das Ganze erst mal mit Clay”, schlug Grace vor.
“Ich nehme an, Mr. Solozano hat sein Flugticket schon in der Tasche.”
“Wo wird er denn unterkommen?”
“Hier bei mir, in meiner Einliegerwohnung.”
“Na, ob das so ‘ne gute Idee ist … Du kennst den Mann doch gar nicht!”
“Ach, das klappt schon”, versicherte Madeline.
“Er kann doch im
Blue Ribbon
wohnen. Was spricht dagegen?”
“Er stammt aus L.A.”
“Na und?”
Madeline hatte auf keinen Fall die Absicht, Hunter Solozano in dem altertümlichen Motel einzuquartieren, das direkt neben einem Campingplatz mit lauter heruntergekommenen Wohnmobilen lag. Abgesehen davon, dass es seine Überheblichkeit sicher steigern würde, war es auch einfach zu teurer. Außerdem gefiel ihr die Idee,
ihren Schnüffler
direkt in Reichweite zu haben, gar nicht so schlecht. Dann konnte sie sicher sein, dass er auch etwas für sein Geld tat und nicht nur auf ihre Kosten Pay-TV schaute. “Er verfügt über die allerbesten Referenzen.”
“Maddy …”
Sie schnitt Grace das Wort ab. “Wenn ich ihn erst näher kenne und meine, es wird brenzlig, kann ich mir immer noch etwas anderes überlegen.”
“Na, dann …” Grace gab fürs Erste klein bei, war aber nicht überzeugt, wie ihre Betonung deutlich erkennen ließ. “Und du meinst, der Mann versteht seinen Job?”
“Auf jeden Fall! Du, wir sprechen uns später, ja?” Als Madeline die Unterbrechertaste drückte, begriff sie, dass sie diesen Hunter mit einem erheblichen Vertrauensvorschuss bedachte. Dabei war keineswegs auszuschließen, dass seine Ermittlungen in einer Riesenenttäuschung endeten. Andererseits hatten ihn seine Kollegen über den grünen Klee gelobt. Wahrscheinlich musste sie sich darauf verlassen, dass er ihr endlich eine Auflösung präsentierte.
Trotzdem war es merkwürdig. Selbst der Gedanke an eine erfolgreiche Aufklärung machte sie nervös. Vermutlich hatte sie im Grunde ihres Herzens doch mehr Angst vor der Wahrheit, als sie sich selber eingestehen wollte. Sie kannte nahezu jeden Menschen in der Stadt, und somit standen die Chancen gut, dass auch der Mörder ihres Vaters darunter war.
Aus seinem Küchenfenster starrte Clay auf die Scheune, in der alles angefangen hatte. Die Sonne lugte hinter den Wolken hervor und ließ das lang gestreckte Gebäude in einem düsteren Schatten, der sich bis über den Hof erstreckte und fast bis zum Hühnerstall lief.
Leider reichte der Schatten des Mannes, der dahinter begraben lag, noch viel weiter. Damals, in jener Nacht, in der alles schiefging, war Clay gerade sechzehn Jahre alt gewesen. Dennoch ließen ihn die Ereignisse von damals auch heute noch keine Ruhe finden.
Zwanzig verfluchte Jahre lang … Und was damals passiert war, das würde ihn auch noch nach sechzig Jahren im Schlaf verfolgen. Das war ihm sonnenklar.
Kopfschüttelnd wanderte sein Blick zur Vorderseite der Scheune. Nachdem seine Schwestern aufs College gingen und seine Mutter in die Stadt gezogen war, hatte er den alten Pferdestall umgebaut. Wo damals noch der bösartige Gaul des Reverend und ein paar Pferde zur Miete
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