Totgesagt
überließ er sich mit geschlossenen Augen ihren wohltuenden Händen.
“Und?”, fragte sie. “Was hast du jetzt vor?”
Die Frage stellte er sich bereits, seit er von der Neuigkeit erfahren hatte. “Ich wüsste nicht, was ich da tun könnte.”
“Du könntest Maddy anrufen und ihr die Sache ausreden.”
“Vielleicht könnte man sie dadurch eine Weile vertrösten, aber ihr Bedürfnis nach Aufklärung ist zu stark, besonders seit man den Cadillac gefunden hat. Irgendwann knickt sie ein und heuert den Burschen im nächsten oder übernächsten Monat doch noch an. Egal, ob ich sie jetzt überrede oder nicht.”
“Glaube ich nicht”, widersprach Allie. “Auf dich hört sie. Du bist der große Bruder, an den keiner ranreicht.”
Aber wenn Madeline jemals die Wahrheit erführe, dachte Clay, dann wäre es schnell vorbei mit der schwesterlichen Bewunderung. Im Gegenteil: Sie würde niemals in der Lage sein, ihm alles zu verzeihen. Alles war so verdammt kompliziert. Sollte Madeline erfahren, was wirklich passiert war, ginge dadurch nicht bloß die Beziehung zu ihm zu Bruch. Auch die Verbindung zu seiner Mutter, zu Grace und zu der jüngsten, in New York lebenden Schwester wäre in Gefahr.
“Es hörte sich außerdem so an, als wäre mit Kirk endgültig Schluss”, brummte er nachdenklich, wodurch er das Thema wechseln wollte.
“Und darüber bist du enttäuscht?”
Er verdrehte sich fast den Hals, um sie anzusehen. “Du denn nicht?”
Sie lächelte gequält. “Ich mag Kirk auch. Aber da haben wir uns gefälligst rauszuhalten. Madeline muss tun, was sie für richtig hält.”
“Wer sagt denn, dass Kirk nicht genau der Richtige für sie ist? Er ist fleißig und ein prima Kerl.”
“Nur weil du ihn magst, muss sie ihn noch lange nicht heiraten. Es funkt nicht richtig, sonst hätten sie sich schon längst das Jawort gegeben. Sie benehmen sich mehr wie zwei gute Kumpel als wie ein Liebespaar.”
Das Dumme war nur: Kirk zählte schon so lange quasi zur Familie, dass es das fein austarierte Gefüge untereinander aus dem Gleichgewicht bringen würde, wenn er plötzlich fehlte. “Allmählich muss sie sich was einfallen lassen. Sie ist sechsunddreißig.”
Allie lachte. “Du doch auch! Da ist man doch noch lange kein altes Eisen!”
“Aber sie träumt doch immer noch von einer Großfamilie.”
“Sie wird den passenden Handschuh schon rechtzeitig finden.”
“Eben! Und das ist Kirk!”, unterstrich er. “Den sollte sie heiraten, eine Familie gründen und die Vergangenheit abhaken.” Finster verschränkte er die Arme. “Stattdessen wirft sie ihr Geld für so einen Schnüffler zum Fenster raus! Und hinterher treibt sie das dann womöglich noch in eine finanzielle Pleite!”
“Schuld, Verantwortung, Neugier – alles starke Motive”, betonte Allie. “Dafür müsstest doch gerade du Verständnis haben!”
“Um mich geht’s hier nicht!”, sagte er tonlos.
Ihr Lächeln kehrte zurück. “Ach, wenn du wüsstest, was für ‘n feiner Kerl du bist!”
Er strich sich das Haar aus den Augen. Es wurde allmählich zu lang; ein Haarschnitt war fällig. “Mir reicht es, wenn du mich dafür hältst.”
“Vielleicht wäre die Situation anders, wenn Maddy noch ihre Mutter hätte”, sinnierte sie.
“Klar wäre sie das. Dann hätte meine Mutter diesen Lee Barker nicht geheiratet. Er hat zwar kein gutes Haar an seiner ersten Frau gelassen, aber Scheidung, das wäre für ihn nie infrage gekommen. Das hätte ein schlechtes Licht auf ihn geworfen.” Der verbitterte Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. “Der äußere Schein ging ihm ja über alles.”
Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. “Unter den Umständen hast du das Beste draus gemacht, auch bei Maddy. Du hast sie genauso lieb wie deine leiblichen Schwestern.”
“Das sieht sie möglicherweise anders”, entgegnete er. “Einerseits gehört sie zur Familie, andererseits auch wieder nicht. Das ist bestimmt nicht immer einfach.”
“Viel schlimmer wäre es, wenn sie die Wahrheit erfahren würde.” Allie holte das Telefon. “Hier, ruf sie an.”
“Und was soll ich ihr erzählen? Hey, Maddy, eins lass dir von mir gesagt sein: Du willst gar nicht wissen, was du da unbedingt meinst erfahren zu müssen?”
Spielerisch zupfte sie ihn an seinem Haar. “Ach, Quatsch! Sag ihr, es wäre längst Gras über den Fall gewachsen, da würde auch ihr Schnüffler nichts Neues aufdecken. Da gäbe sie eine Stange Geld für nichts und
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