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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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Polaroidkamera, wenn er sie in bestimmten Positionen fotografierte, wie sie für ein Mädchen nicht schutzloser ausfallen konnten.
    Pontiff nahm den Faden wieder auf. “Es hat also niemand das Seil oder die … die anderen Gegenstände hier dazu benutzt, dir in irgendeiner Form etwas anzutun?”
    Ein Schweißtropfen rann ihr zwischen den Schulterblättern hinunter.
    Madeline drückte ihren Arm, als sei alles nicht so schlimm, als würde sich nichts ändern, wenn sie bejahte. Doch Grace wusste, dass das nicht stimmte. Unter Aufbietung aller verbliebenen Kräfte gelang es ihr, einen pikierten Ton in ihre Stimme zu legen. “Natürlich nicht!”
    “Also hat sich dir niemand … nun ja … unsittlich genähert?”, fragte Pontiff. “Als junges Mädchen, meine ich?”
    Sie hob selbstbewusst das Kinn. “Wer hätte denn so etwas schon tun sollen?”
    “Genau das wollen wir ja herausfinden”, erwiderte er.
    Plötzlich flog die Tür auf, und Clay kam hereingestürmt. Sein dichtes schwarzes Haar stand ihm vorn zu Berge, als sei er sich zu oft mit der Hand hindurchgefahren.
    Grace hätte vor Scham im Boden versinken mögen. Dass sich Clay die Sachen dort auf dem Tisch überhaupt ansehen musste! Sicher, er wusste von ihrem Martyrium, aber von Barkers Untaten nur zu wissen oder seine Utensilien jetzt mit eigenen Augen anschauen zu müssen – das war ein himmelweiter Unterschied. Clay hatte sowieso schon ein schlechtes Gewissen, weil er damals nicht schon eher etwas bemerkt und seine Schwester nicht beschützt hatte. Die Gegenüberstellung jetzt, die verschlimmerte seine Schuldgefühle vermutlich noch.
    Er musterte sämtliche Anwesenden, und als er den Blick dann zu den auf dem Tisch angeordneten Gegenständen schweifen ließ, war seine Miene wie versteinert. Seine blauen Augen glommen düster vor lauter Aufgewühltheit. “Was geht hier vor?”
    Während Kennedy ihm die Sachlage erklärte, fürchtete Grace schon, Clay könne womöglich seine Gefühle nicht im Zaume halten. Seine immer grauer werdende Gesichtsfarbe verriet ihr, wie sehr ihm der bloße Gedanke an ihren Leidensweg zusetzte. Dass sie sich nun so um ihn sorgte, machte es ihr leichter, mit ihrer eigenen Qual umzugehen.
    “Irgendwer muss meinen Bikini gestohlen haben”, sagte sie, als Kennedy geendet hatte. “Ich weiß aber nicht, wer oder wann das war. Oder wem wohl die anderen Slips gehören.”
    Letzteres stimmte sogar. Nach ihrer Kenntnis war sie das einzige Opfer ihres Stiefvaters gewesen. Was also hatte die andere Unterwäsche zu bedeuten? Dass es noch weitere Opfer gab?
    Die Vorstellung, dass andere Mädchen vielleicht dasselbe erdulden mussten, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken und ließ sie erschauern. Sie kämpfte jedoch eisern dagegen an. Diese Frage musste bis später warten. Im Augenblick hatte sie mit sich selbst genug zu tun und durfte sich nicht noch zusätzlich belasten.
    Vom Rande des Geschehens meldete sich ihre Mutter zu Wort. “Ich habe immer unsere gesamte Wäsche auf die Leine gehängt.” In Anbetracht von Irenes Gemütszustand war diese Erklärung eine willkommene Hilfe. Sicher, sie waren damals so arm, dass sie sich einen Wäschetrockner nicht hatten leisten können. Aber bei aller Liebe: ihre Mutter schien gefährlich nah an dem Punkt zu sein, die Fassung zu verlieren. Grace fürchtete, sie könne womöglich alles verraten – falls Clay es nicht schon vor ihr tat.
    Sie straffte die Schultern und nahm ihre Sonnenbrille ab. “Stimmt. Und das bedeutet, dass sich so ziemlich jeder bedienen konnte. Ich gehe davon aus, dass sich derjenige, der meinen Bikini mitgehen ließ …” – sie zeigte auf den Tisch, äußerlich bewusst sachlich und professionell, innerlich aber vor Angst zitternd, was hoffentlich niemandem auffiel – “… in einem Stadium des Fantasierens befand.”
    “Das ist jetzt zwanzig Jahre her”, warf Pontiff ein. “Wenn er sich noch auf freiem Fuß befindet, ist er wahrscheinlich mittlerweile über dieses Stadium hinaus.”
    Grace fixierte ihren Blick angestrengt auf seinen akkurat gestutzten Schnauzbart. “Hat es denn Anzeigen in dieser Richtung gegeben, Chief?”
    “Das nicht, aber diese … Dinge werden oft auch gar nicht gemeldet.”
    “Das stimmt allerdings”, murmelte sie, als sähe sie die Sache genauso objektiv wie er.
    “Wer es auch gewesen sein mag – jedenfalls hat er Lee umgebracht und sich dann aus dem Staub gemacht”, befand Irene.
    Pontiff trug seine Skepsis so demonstrativ zur

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