Totgesagt
doch längst biologisch abgebaut!”
“Nicht unbedingt. War ja alles luftdicht abgeschlossen.”
Grace merkte, wie Kennedy ihr die Hand drückte, als wolle er sie zur Vorsicht mahnen. Vermutlich klang sie panisch, doch darauf nahm sie jetzt keine Rücksicht. “Was soll das denn bringen, so ein genetisches Profil?”
Pontiff verstand nicht recht. “Was das bringen soll?”
“Das hilft doch nur weiter, wenn man einen Abgleich mit jemandem machen kann”, erklärte sie. “Und ihr habt ja nicht mal ein Opfer!”
Die Hände noch in denselben Einweghandschuhen, mit denen er die Gegenstände vorher zurechtgelegt hatte, steckte er die Utensilien nun in eine braune Papiertüte. “Schon, aber wie ich bereits zu Madeline sagte: Es könnte ja vergleichbare Fälle geben. Außerdem kann man nie wissen, auf was man künftig noch so stößt. Nicht wahr?”
Pontiff, der ihren beruflichen Hintergrund kannte, ging offenbar davon aus, dass sie ihm unumwunden zustimmen musste. Also tat sie es auch. Die ganze Zeit aber betete sie zum Himmel, er möge verhüten, dass die Wissenschaftler im Labor die erhofften Spuren fanden. Taten sie es doch, war ihr klar, um wessen DNA es sich handeln würde. Sie wusste auch nur zu gut, dass man diese Spuren dann auch dem Slip würde zuordnen können, den sie soeben als den ihren identifiziert hatte.
5. KAPITEL
O ffenbar setzten die Ereignisse des Tages Irene heftiger zu als allen anderen Beteiligten. Madeline begleitete sie daher hinaus zum Wagen und kehrte dann noch einmal in die Wache zurück, um mit Chief Pontiff zu reden.
“Ich lasse einen Privatdetektiv aus Kalifornien kommen”, teilte sie ihm mit. “Er könnte dir eventuell bei der Entscheidung helfen, was mit dem ganzen Kram hier passieren soll.” Dabei wies sie auf die Schachtel, in die er den Beutel mit Beweisstücken verstaut hatte.
Pontiff zögerte. Offenbar war er von dieser Neuigkeit nicht so angetan, wie Madeline es erwartet hatte. “Ich kann meine Angelegenheiten sehr gut alleine regeln, Maddy”, meinte er. “Ich verstehe ja, dass du in der Vergangenheit enttäuscht worden bist, aber ich habe ohnehin vor, alles Menschenmögliche zu tun. Da besteht kein Anlass für Hilfe von außerhalb.”
“Vielleicht fällt ihm etwas auf, was wir übersehen haben”, wandte sie ein.
“Wenn hier jemand etwas übersieht, dann bist du das”, meldete sich Officer Radcliffe zu Wort. Er klang genervt. Ging man von dem neben ihm aufgebauten Stapel aus, hatte er sicher noch jede Menge Akten einzuordnen, doch offensichtlich hielt ihn das nicht davon ab, ihrem Gespräch zu folgen. “Hast du Clays Reaktion denn nicht mitgekriegt? Hätte nicht viel gefehlt, und er wäre ausgeflippt.”
“Ja, habe ich gesehen!”, antwortete Madeline, der allmählich der Geduldsfaden zu reißen drohte. “Er war halt aufgeregt! Ist doch kein Wunder, wenn da die Unterwäsche seiner Schwester auf dem Tisch liegt!”
Pontiff blickte beschwichtigend zu seinem Kollegen hinüber und trat zwischen die beiden Streithähne. “Maddy, wir sind zusammen aufgewachsen; dein Schmerz und dein Frust, die sind mir über die Jahre nicht verborgen geblieben, und was das Verschwinden deines Vaters angeht – da hast du wirklich mein vollstes Mitgefühl. Das gilt übrigens für die ganze Stadt. Meine Vorgänger haben es nicht geschafft, der Sache auf den Grund zu gehen, aber ich hab’s mir fest vorgenommen. Ich will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Alles klar?”
“Was ist bloß so schlimm daran, Hilfe von außen anzunehmen?”, wollte sie wissen.
“Ich lasse mir nicht gern ins Handwerk pfuschen. Dieser Detektiv, der stammt aus … was sagtest du noch? Kalifornien? Der hat doch keine Ahnung, wie wir in Mississippi so etwas anpacken.”
Das ist ja gerade der Vorteil, ging es Madeline durch den Sinn. Er steht nicht unter dem Einfluss der Vincellis und braucht nicht darauf zu achten, ob sich irgendjemand in der Stadt auf den Schlips getreten fühlt. “Eine Ermittlung ist wie die andere”, beharrte sie. “Ich hoffe, du wirst nach Kräften mit ihm zusammenarbeiten.”
Tobys Miene verfinsterte sich. Offenbar konnte er ihrer Bitte nichts abgewinnen. “Was erhoffst du dir bloß davon?”
“Lückenlose Aufklärung”, sagte sie und ging.
Die restliche Woche kroch für Madeline quälend langsam dahin. Nach Rachel Simmons’ Ertrinken und dem anschließenden Fund des Cadillacs hielt die ganze Stadt gleichsam den Atem an. So als würde sie abwarten, was als Nächstes
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