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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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betraut?”
    “Hat er ja. Ich weiß noch, wie Ray ab und zu vorbeikam. Meistens war es aber Rose Lee, die bei uns aushalf, auch in der Kirche.” Sie schüttelte den Kopf. “Seelisch war das Mädel völlig durcheinander, ein sehr merkwürdiges Kind. Mein Vater hat stundenlang mit ihr gesprochen.”
    “Und Katie Swanson? Was war mit ihr?”
    “Sagen Sie bloß, über Katie hat meine Mutter etwa auch etwas geschrieben?” Madeline hatte ein wenig Make-up aufgelegt, was das ohnehin strahlende Grün ihrer Augen noch besser zur Geltung brachte.
    Hunter richtete sein Augenmerk wieder auf die Fahrbahn. “Ja, haben Sie denn die Tagebücher Ihrer Mutter nie gelesen?”
    “Nein. Das … das brachte ich nicht über mich. Wenn ich nur die Umschläge sehe, kommt alles wieder hoch …”
    Was sie mit “alles” meinte, war ihm klar: ihr Schmerz. Momentan konnte er ihn in Madelines Gesicht mehr als deutlich erkennen. Allerdings musste er auch das gesamte Bild im Auge behalten, musste erfahren, was sich vor dem Verschwinden des Reverend abgespielt hatte. Das war unabdingbar, falls er mögliche Motive der Beteiligten ergründen wollte. “Madeline?”
    “Katie war auch eins dieser sogenannten ‘Projekte’ meines Vaters”, fuhr sie seufzend fort. “Sie hatte eine Mutter, die mit jedem x-Beliebigen schlief. Kein Mensch wusste, wer Katies Vater war. Sie war einsam und vernachlässigt und wurde von dem damaligen Partner ihrer Mutter geschlagen. Daher schaltete sich mein Vater ein, ehe die Behörden es taten, und er sorgte dafür, dass das Mädchen bei Ray und Rose Lee untergebracht wurde.”
    “Was hatte er denn gegen eine behördliche Überprüfung einzuwenden?”
    “Er kümmerte sich eben lieber selbst um seine Schäfchen.”
    Sie erreichten Stillwater und fuhren an einem im viktorianischen Stil erbauten Haus vorbei, das jetzt den Supermarkt beherbergte. Dann an der Polizeiwache und dem Reifendienst. “Wohin jetzt?”, fragte Hunter.
    “Immer geradeaus. Die Farm liegt am gegenüberliegenden Stadtrand. Unweit des Highways.”
    Er hielt vor der einzigen Ampel der Stadt. “Und Ray Harper und Rose, denen machte es nichts aus, dass man Katie bei ihnen unterbrachte?”, fragte er, indem er den Faden wieder aufnahm. “Sie sagten doch, sie hätten finanzielle Probleme gehabt.”
    “Das war sogar ein Glücksfall für die beiden. In ihrem Wohnwagen hatten sie noch ein Zimmer frei, und von meinem Vater bekamen sie ein bisschen Geld dafür, dass sie Katie bei sich aufnahmen.”
    “Und woher nahm er das Geld?”
    “Aus der sonntäglichen Kollekte. Es gab immer Fürbitten für bestimmte Gemeindemitglieder, insofern kam die Summe aus einem großen Topf. Ich glaubte, gerade deswegen war mein Vater ja so beliebt. Die zu kurz Gekommenen lagen ihm ganz besonders am Herzen.”
    Sobald sie den Ortsverkehr hinter sich gelassen und offeneres Gelände erreicht hatten, trat Hunter aufs Gaspedal. “Weshalb ist sie wohl fortgelaufen? Was meinen Sie?”
    “Es hieß, sie sei schwanger gewesen.”
    “Mit fünfzehn schon?” Ungläubig legte Hunter den Kopf schief.
    “Bedenken Sie, wie die Mutter war. Vermutlich hat Katie schon mit zwölf die Unschuld verloren, wenn nicht sogar noch früher. Und wenn die Gerüchte stimmen, soll sie sich nachts immer fortgestohlen und mit Tommy Meyers getroffen haben. Der war drei Jahre älter.”
    “Und der war auch der Kindsvater?”
    “Er hat es zwar immer abgestritten, aber nach Überzeugung meines Vaters, ja. Keiner weiß es genau. Sie starb ja vor der Geburt des Babys; einen Vaterschaftstest gab es daher nicht.”
    “Das ist allerdings bedauerlich”, bemerkte er.
    “Mein Vater war außer sich. Und Ray machte sich die schlimmsten Vorwürfe, weil er nicht besser aufgepasst hatte. Die zwei hockten stundenlang in Vaters Arbeitszimmer, um über die Sache hinwegzukommen.”
    “Und wie?”
    “Na, durch Reden natürlich. Wenn ich in die Scheune ging, um die Hühner zu füttern, konnte ich die Stimmen durch die Wand hören. Manchmal stand auch Rays Pritschenwagen spätabends noch in der Einfahrt. Na ja, sie hatten sich eben so angestrengt, dem Mädchen zu helfen …”
    “Verfolgte ihr Vater noch andere dieser ‘Projekte’?”, wollte Hunter wissen. Hoffentlich nicht – nach all dem Glück, das er mit Rose Lee und Katie gehabt hatte.
    “Eher nicht. Er hat Ray weiter unterstützt, bis meine leibliche Mutter …” Sie hüstelte. “Also, danach ging es uns auf der Farm jahrelang ziemlich dreckig.

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