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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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einzige Ausweg. Ich wusste es die ganze Zeit, seit damals. Nur wie und wann? Satan wird mir nachstellen. Er wird mich holen. Ich höre ihn meinen Namen rufen. Er ist mir auf den Fersen.
    Dieser Eintrag ließ Eliza beinahe normal klingen. Andere hingegen – allesamt äußerst kryptisch, insbesondere die Gedichte und Stellen, die nicht verbrannt worden waren. Fast schien es, als formuliere sie in Rätseln.
    Was hatte in ihrem Leben gefehlt? Auf was wartete sie? Dieser Satz “Ich muss hier weg”. Meinte Sie damit weg aus dieser Welt? Wäre ihr Selbstmord nicht gewesen, hätte Hunter den Hinweis so interpretiert, dass sie ihren Mann verlassen wollte. Vor dem Hintergrund des Briefes, den Madeline in dem Geheimfach der Schmuckschatulle gefunden hatte, lag das sogar sehr nahe.
    Ich wusste es die ganze Zeit, seit damals

    Seit wann? Warum hatte sie das Wort extra unterstrichen?
    Er blätterte ein paar Seiten weiter.
    Der Apfel ist wurmstichig. Überall Würmer. Maden. Fressen das Fruchtfleisch, legen den fauligen Kern bloß. Ich bete darum, aus einem Albtraum aufzuwachen, doch dieser Albtraum ist mein Leben. Ein Leben, um das mich meine Freundinnen beneiden. Ironie des Schicksals!
    Auf demselben Blatt hatte Eliza einen Zeitungsausschnitt eingeklebt: ein junges Mädchen, das bei einem Unfall mit Fahrerflucht ums Leben gekommen war. Diese Tragödie hatte sie offenbar tief erschüttert. Sie kannte das Mädchen, insofern war die Betroffenheit nachvollziehbar. Nur schrieb Eliza noch die nächsten zwei Jahre von diesem Kind. Fast so, als bestünde eine persönliche Beziehung. Dennoch war der Name nie in ihren vorherigen Tagebüchern aufgetaucht.
    Katie Swanson, damals fünfzehn Jahre alt. Eine Ausreißerin.
    “Ich werde es für sie tun”, hatte Eliza mehr als einmal geschrieben. Es tun? Was? Und wen meinte sie mit
sie
? Katie oder Madeline? Manchmal sah es so aus, als verwechsle Eliza die beiden.
    Auf der Seite nach dem Artikel folgte Katies Todesanzeige. Katie war in Stillwater geboren und bei ihrer Mutter aufgewachsen. Von anderen Geschwistern war nichts zu lesen. Die Beerdigung hatte auf dem Friedhof der
Purity Church of Christ
stattgefunden – also auf dem, der zu der Kirche von Madelines Vater gehörte. Und er hatte auch die Grabrede gehalten.
    Hunter zog sich den zweiten Karton heran und blätterte durch die umfangreiche Sammlung an Predigten, die der Reverend hier archiviert hatte. Anscheinend bewunderte Lee Barker seine rhetorischen Ergüsse so sehr, dass er jedes Blatt aufbewahrt und jede Predigt penibel nach Datum eingeordnet hatte.
    Hunter hoffte, auch Barkers Aufzeichnungen für die Beerdigung der jungen Katie zu finden. Der einzige Hinweis auf das Mädchen stand jedoch lediglich in einer kurzen Passage der Predigt für den darauffolgenden Sonntag.
    Möge Gott den Menschen strafen, der die arme unschuldige Katie aus unserer Mitte gerissen hat. Sie ist ein anmutiges Mädchen gewesen, so voller Leben. Und stets bereit, sich nach Gottes Willen zu richten. Ich weiß nicht, was ich ohne ihre engelsgleiche Aufopferung für mich und meine Kirche tun soll.
    Demzufolge hatte der Prediger sie ebenfalls gekannt, anscheinend auch gerngehabt. Hunter gestattete sich ein ironisches Lächeln. Engelsgleich – das war nach Barkers Maßstab ein wahrlich hervorragendes Attribut.
    In der Predigt der darauffolgenden Woche ging es um Opferbereitschaft und um Sühne. Von Katie kein Wort mehr. Nur in Elizas Tagebüchern tauchte ihr Name wieder und wieder auf. Anscheinend kam Madelines Mutter über den tragischen Tod des Mädchens einfach nicht hinweg. Zudem berichtete sie über einen weiteren Verlust, den Selbstmord eines anderen 16-jährigen Mädchens.
    Hätte ich mich doch nur zu Wort gemeldet! Ich hätte sie retten können. Ich habe versucht, alle zu warnen. Aber sie wollten nicht auf mich hören, wollten nicht genau hinschauen. Sie halten mich für verrückt. Das erzählt er allen über mich. Und sie glauben ihm.
    Wer war mit “er” gemeint? Barker etwa? Und wie hätte Eliza helfen können? Weil sie sich in das Mädchen und seine seelischen Qualen hineinversetzen konnte?
    Nach allem, was Hunter sich bisher zusammenreimen konnte – einen Nachruf oder Artikel hatte er nicht gefunden –, hatte Rose Lee Harper eine Überdosis Schlaftabletten eingenommen.
    “Augenblick mal …”, murmelte er und blätterte zurück auf eine andere Seite, auf der er den Namen des Mädchens gelesen hatte. Die Kleine wurde nackt auf dem Fußboden

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