Totgesagt
Gegend war er der unerfüllte Traum ihrer schlaflosen Nächte.”
Und wodurch war er so unnahbar geworden?, fragte sich Hunter. Konnte es sein, dass der Reverend einen Tick zu streng mit seinem neuen Sohn umgegangen war?
“Wenn ihn einer um den kleinen Finger wickeln kann, dann Whitney”, bemerkte Allie, während sie die beiden hereinwinkte.
“Whitney ist seine siebjährige Tochter”, erklärte Madeline. “Sie ist momentan noch in der Schule, deshalb werden Sie die Kleine wohl heute nicht kennenlernen. Aber sie ist ein echter Schatz.”
Das Innere des Hauses wirkte ebenso gepflegt wie das Grundstück. Das Wohnzimmer roch nach frischer Farbe und war in einem satten Burgunderrot dekoriert. Auf einer Ecke des Kaminsimses stand ein Hochzeitsfoto mit einem Mann, anscheinend Clay, und der Frau, die Hunter soeben kennengelernt hatte. Daneben ein Foto von einem pausbäckigen kleinen Mädchen mit langen, blonden Haaren. Der restliche Platz war mit Kerzenständern unterschiedlicher Formen und Größen belegt.
Allie bot ihnen freundlich an, Platz zu nehmen, doch etwas in ihren Augen machte Hunter stutzig. Ihr Blick wirkte argwöhnisch, ein wenig lauernd. In Anbetracht der Lage war das aber nur natürlich. Sicher war es wenig angenehm, wenn der eigene Ehemann ständig in Mordverdacht geriet. Vielleicht gab es sogar Zeiten, in denen sie sich allmählich selbst fragte, welche Rolle ihr Mann wohl beim Verschwinden des Reverend gespielt haben mochte …
“Wir können uns nicht groß setzen”, lehnte Madeline ab. “Wir bleiben auch nicht lange. Wir wollten nur mal kurz mit Clay reden. Ist er da?”
“Der ist draußen beim Bach und repariert den Damm.”
Sie machte keinerlei Anstalten, ihn hereinzurufen. Hunter spürte, dass Allie sie nur ungern mit ihrem Mann sprechen lassen wollte. Falls es Madeline ebenso ging, ließ sie es sich nicht anmerken – sie plapperte ungerührt weiter drauflos, wie es Journalisten so an sich haben. “Wenn du nichts dagegen hast, gehen wir hinten rum und suchen ihn.”
“Ich komme mit”, sagte Allie, obwohl sie anscheinend gerade beim Kochen war, jedenfalls dem Duft nach zu urteilen, der aus der Küche drang.
“Lass dich bitte nicht stören. Wir finden ihn schon.”
“Wir können ihn ja auf dem Handy anrufen”, schlug Allie vor.
Madeline lächelte Hunter zu. “Endlich ist mein Bruder im 21. Jahrhundert angekommen. Seit Urzeiten sperrt er sich gegen ein Handy. Konnte ich irgendwie nachvollziehen, denn ans normale Telefon ist er auch nie gegangen.” Sie lachte verhalten. “Er war ein richtiger Schrat. Bis Allie kam.”
Allie griff bereits nach dem neben der Couch stehenden Telefon, doch Madeline winkte dankend ab. “Ich wollte Hunter sowieso mal die Farm zeigen”, sagte sie.
Allie setzte das Gerät nur zögerlich wieder in die Basisstation. “Bist du sicher? Könnte ein ziemlicher Marsch werden.”
“Wenn wir ihn nicht finden, melden wir uns.” Madeline wies auf ihre Handtasche, in der sich ihr eigenes Handy befand. “Können wir hinten raus?”
Hunter merkte, wie Allie ihn prüfend musterte. Nur aus lauter Neugierde? Schwer zu sagen. Doch wie eine Verbündete benahm sie sich wahrlich nicht. Ihre Lippen mochten zwar lächeln, doch insgesamt strahlte sie etwas Trotziges, Abweisendes aus, das ihn langsam nervös machte.
Er erwiderte ihr Lächeln, als hätte er nichts bemerkt, und folgte Madeline in die Küche, die aus derselben Zeit stammte wie die in Madelines Haus, nur viel größer war. Durch die Hintertür ging es auf eine breite Terrasse, von der aus man einen freien Blick über etliche Hektar Ackerland hatte. Rechter Hand stand die Scheune, die Hunter bereits zuvor aufgefallen war, daneben der vermutete Hühnerstall. Hinter einem Pulk von landwirtschaftlichen Geräten waren eine Handvoll rostiger Trucks geparkt, offenbar Oldtimer aus den 1950er-Jahren.
“Mein Bruder restauriert alte Autos und Laster”, erklärte Madeline, womit sie Hunters Frage zuvorkam. “Das ist sein Hobby.”
Sie überquerten die Veranda, doch Madeline ging nicht gleich die vierstufige Treppe hinunter, sondern schaute, aufs Geländer gestützt, hinaus ins Weite. Das Bild erinnerte ihn an das Foto von ihr, auf dem sie acht Jahre alt war.
“Vermissen Sie es, dass Sie nicht mehr hier wohnen?”, fragte er.
Allie stand in der Hintertür, doch Madeline drehte sich nicht um. Die Augen gegen die hellgelbe Sonne abschirmend, starrte sie weiter in die Ferne. “Ein wenig. Meistens aber macht
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