Totgeschwiegen (Bellosguardo)
grüßen. Und wegen Con stantin: Ich möchte dich bitten, das endlich zu lassen. Er ist so etwas wie mein Stiefbruder. Ich finde es ekelhaft, dass du mir etwas mit ihm unterstellst.“
„Und warum hast du mir nicht gesagt, dass du mit ihm zusammen hier anreist?“
„Weil ich Angst hatte, dass du mich wieder beschimpfen würdest.“
„Ich kann es nun mal nicht ertragen , wenn du mit anderen Typen zusammen bist.“
„Aber ich kann doch nicht jedem männlichen Wesen aus dem Weg gehen.“
„Ich würde dich am liebsten einsperren, damit ich dich ganz für mich allein haben kann.“
Anna sah ihn erschreckt an. Was war das nur für eine kranke Phantasie?
„Domenik, ich mag es nicht, wenn du so etwas sagst.“
„Vergiss es einfach. Und ich vergesse jetzt diese demütigende Situation von eben.“ Er hielt an einer Ampel und beugte sich zu ihr. Dabei zog er ihren Kopf zu sich heran und gab ihr einen festen Kuss auf den Mund. Es war eine Spur zu fest.
„Domenik , du tust mir weh.“ Anna versuchte mit ihrer Hand seinen Griff in ihrem Nacken zu lockern. Sofort ließ er los. Er sah sie mit seinen smaragdgrünen Augen durchdringend an. Sein Blick hatte etwas Kaltes und Forderndes. Wo war nur die Wärme und Zärtlichkeit in seinen Augen geblieben?
Anna fühlte sich in seiner Gegenwart unwohl. Wenn das so blieb, dann würde sie es nicht die letzten Ferientage bei ihm in Hamburg aushalten.
Sie wandte ihren Blick ab und sah aus dem Fenster. Die restliche Fahrt verbrachten sie beide in Schweigen gehüllt.
22
„Anna ist gut angekommen. Sie hat gerade eine Nachricht geschickt.“
„Das ist schön. Constantin wird sich bestimmt auch gleich melden.“ Isabelle sah zu Alexander hinüber, der mit seinem Handy und iPad auf dem Sofa saß. Sophia spielte oben in ihrem Zimmer. Es war richtig ungewohnt, wieder nur zu dritt zu sein. Am 02. Januar würde auch Alexander wieder nach Mailand fahren. Dann wäre sie mit Sophia allein hier in dem Haus auf dem Land.
Etwas wehmütig dachte sie an Constantin. Ihr Sohn würde ihr fehlen. Jetzt würde es wieder Ewigkeiten dauern , bis sie ihn wiedersah. Ein weiterer Besuch von ihm war noch nicht geplant und auch sie hatte keinen Boston Trip ins Auge gefasst. Jetzt wo ihre Mutter so weit weg war, konnte sie auch nicht mehr spontan so eine Reise unternehmen. Dann müsste sie Sophia entweder erst nach Hamburg bringen oder sie mitnehmen. Und ab dem Sommer wäre das auch nicht mehr so flexibel, wenn die Kleine in die Schule kommen würde. Sollte sie tatsächlich hier in Italien bleiben? Wollte sie hier leben oder wäre Hamburg doch die bessere Wahl? Immerhin hatte sie dort ihre Mutter. Aber ihre Wohnung in Hamburg war für Alexander kein Zuhause. Und jetzt hatten sie in dieses Haus so viel Geld gesteckt. Die Weihnachtsfeiertage über hatte es sich immer mehr wie ein Zuhause für sie angefühlt, was natürlich auch an der Anwesenheit von Constantin und Sophia gelegen hatte. Da wo die Menschen waren, die sie liebte, fühlte sie sich wohl.
Ob Alexander das auch so empfunden hatte? In den letz ten zehn Tagen hatten sie nicht sonderlich viele persönliche Gespräche geführt. Der Besuch von Constantin und Anna hatte im Vordergrund gestanden.
Isabelle wusste, dass es sie für ein paar Monate nicht stören würde, Alexander nur an den Wochenenden zu sehen und ansonsten mit Sophia und ihrem Laptop allein zu sein. Sie war ein Mensch, der gut für sich sein konnte. Sie liebte es in ihren Romanwelten zu versinken und hatte mit ihren Figuren genug Gesellschaft. Sophia würde Gleichaltrige im Kindergarten kennenlernen und wäre den halben Tag beschäftigt. Isabelle konnte sich gut vorstellen, dass sie es hier zumindest bis zum Sommer aushalten könnte. Und würde sie damit nicht Alexander auch endlich das Heim bieten, das er sich so gewünscht hatte? Das war es doch, was er ihr bei seinem Heiratsantrag gesagt hatte.
Es war ein schöner Tag Anfang Oktober gewesen. Alexander war bei ihr in Hamburg gewesen und sie hatten einen langen Spaziergang um die Alster gemacht ...
Hand in Hand spazierten sie an der amerikanischen Botschaft vorbei. Alexander hatte gerade über seine Reisen, die in den nächsten Wochen anstanden, gesprochen. Brüssel, Paris und London standen auf dem Plan.
„Vermisst du es nicht manchmal , gar keinen festen Wohnsitz mehr zu haben?“, fragte sie ihn.
„Doch, mittlerweile schon. Am Anfang wollte ich auf keinen Fall irgendwo hin zurückkommen müssen. Ich wollte einfach
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