Totgeschwiegen
schwimmen gehen.”
“Also hast du heute doch schon was vor.”
“Aber erst um vier.” Es gab eine kleine Pause, dann fragte der Junge: “Fahren wir am Wochenende zelten?”
“Vielleicht.”
“Sag doch einfach ja.
Bitte!”
“Wenn du es schaffst, dich heute nicht mit Oma zu streiten.”
Teddy stieß einen lauten Seufzer aus. “Okay.”
“Was macht Heath denn gerade?”
“Der sieht fern, bis wir schwimmen gehen. Oma hat immer Angst, dass wir ihren Teppich schmutzig machen.”
“Ich dachte, du mähst bei den Nachbarn den Rasen?”
“Oje. Oma kommt”, flüsterte der Junge und legte auf.
Kennedy wusste, dass Camille Teddys Bitte als persönliche Beleidigung auffassen würde. Sie bemühte sich, ihren Enkeln gerecht zu werden. Es war nicht einfach für sie, sich fünf Tage in der Woche um zwei Jungs zu kümmern, nachdem sie so lange nichts mit Kindern zu tun gehabt hatte. Dennoch war diese Ablenkung für sie wichtig. Die Krebserkrankung ihres Mannes machte ihr schwer zu schaffen. Und deshalb versuchte sie immer wieder, Kennedy davon zu überzeugen, dass sie und die Jungs prächtig miteinander auskamen.
Oje. Oma kommt …
Offenbar lernte Teddy langsam, wie es ihm möglich war, Konfrontationen mit seiner Großmutter zu vermeiden.
Kennedy lachte vor sich hin, als er das Handy in die Halterung am Armaturenbrett schob. Sein Jüngster war ein schwieriges Kind, das stimmte; er war ungestüm und kaum zu bändigen. Wäre Camille jünger gewesen und nicht so angespannt, hätte sie das bestimmt leichter akzeptiert.
Irgendwie wird er den Tag schon überstehen, dachte er. Wahrscheinlich ging Teddy die strenge Art seiner Großmutter gegen den Strich. Dass sie ihre Enkel von ganzem Herzen liebte, das stellte allerdings niemand, nicht einmal Teddy, infrage.
Kennedy sah auf die Uhr. Es wurde Zeit, er hatte eine Menge zu tun. Und dank der Frau, die plötzlich am Fenster erschienen war, musste er noch mal nach Hause fahren und sich umziehen.
“Hattest du etwa vor, mir zu verheimlichen, dass du in der Stadt bist?”
Grace kniete im Garten und drehte sich erschrocken um. Ihre Mutter kam einmal pro Jahr nach Jackson, um sie zu besuchen, und dies war das erste Mal seit Grace’ Schulzeit, dass sie in Stillwater zusammentrafen.
Grace räusperte sich und stand auf. Sie hatte eigentlich nur ein paar Stunden lang im Garten arbeiten wollen, aber nun war der ganze Vormittag schon vorbei. Irgendwie hatte sie es als wichtige Mission aufgefasst, Evonnes Garten wieder zu seiner alten Schönheit zu verhelfen. Obwohl sie völlig verschwitzt war und wusste, dass sie morgen einen furchtbaren Muskelkater haben würde, hatte sie mit großem Eifer umgegraben und Unkraut gejätet.
Da sie schmutzige Handschuhe trug, musste sie sich den Schweiß mit dem Unterarm aus dem Gesicht wischen. “Tut mir leid, Mom”, sagte sie und lächelte verlegen. “Ich hatte es mir fest vorgenommen, aber dann hatte ich einfach so viel zu tun … hier.”
Irene deutete auf die Pflanzen. “Dieses Kraut war dir wichtiger?”
Offensichtlich war ihre Mutter zutiefst verletzt. Grace atmete tief ein und ging über den Rasen auf sie zu, um sie zu umarmen. Obwohl sie diesen Augenblick gefürchtet hatte, war sie glücklich, ihre Mutter zu sehen. Sie bewunderte sie, hatte sie oftmals vermisst, und doch rief ihre Gegenwart viele widerstreitende Gefühle in ihr wach. “Ich kann das einfach nicht so verwildert lassen, es stört mich”, sagte sie. “Und ich bin mir sicher, dass es Evonne auch gestört hätte. Und außerdem …” Sie trat einen Schritt zurück, zog ihre Mütze ab und warf einen Blick in den grauen Himmel. “… wollte ich gern fertig sein, bevor es anfängt zu regnen.”
Irene schien das für keine besonders gute Entschuldigung zu halten, aber wie Grace sie kannte, würde sie das Thema jetzt wahrscheinlich fallen lassen. Über die Jahre hatten sie ein Schema entwickelt, wie sie mit den Spannungen umgingen, die zwischen ihnen herrschten. Sie hatten sich stillschweigend darauf verständigt, dass es besser war, bestimmte Konfliktthemen nicht anzusprechen.
“Gut siehst du aus”, sagte Grace und meinte es auch so.
“Ich bin zu dick”, antwortete ihre Mutter, aber mehr als fünf oder sechs Kilo hätte sie gar nicht entbehren können. Sie war eben sehr eitel, das sah man schon daran, wie sie sich selbst für unwichtige Ereignisse perfekt kleidete und zurechtmachte.
“Ach was”, sagte Grace. “Du bist genau richtig.”
Ihr Lächeln
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