Totgeschwiegen
Zweifel aufgekommen waren. Möglicherweise fühlte sie sich überrumpelt von dem, was sie sich versprochen hatten, was sie getan hatten.
Sie stützte sich auf ihren Arm und musterte ihn. Ihre dunklen Haare fielen wie ein Vorhang aus Samt auf seine Brust. “Kein Bedauern.” Sie strich ihm über die Wange. “Und du?”
“Nichts dergleichen”, sagte er und meinte es auch so. Obwohl er sich Sorgen darum machte, was die Zukunft bringen würde – vor allem, weil er nicht einschätzen konnte, wie die Bewohner von Stillwater auf ihre Verbindung reagieren würden.
“In ein paar Monaten denkst du vielleicht anders darüber”, sagte sie.
Natürlich spielte sie damit auch darauf an, dass sie dann vielleicht schon schwanger war. Aber er schüttelte den Kopf. “Nein!”, sagte er. “Ich werde stolz darauf sein, wenn du ein Kind von mir bekommst.”
“Und wenn du die Wahl verlierst – würdest du dann darüber nachdenken, Stillwater zu verlassen?”, fragte sie.
Er ließ seine Hand über ihre Hüfte gleiten. “Wenn du hier unglücklich wärst. Aber … es ginge nicht so einfach von heute auf morgen.”
“Wegen der Bank?”
Er nahm ihre Hand und küsste ihre schlanken Finger. Die Zukunft sah viel schöner aus als noch vor Kurzem. Und dabei hatte Kennedy geglaubt, mit dem Tod von Raelynn sei für immer alles vorbei.
Aber jetzt war Grace in sein Leben getreten.
Er lächelte. Ihm wurde klar, dass einige schwierige Situationen in seinem Leben weniger einen Verlust als eine Veränderung bedeutet hatten.
Aber er wollte seinen Vater nicht verlassen. “Mein Dad hat Krebs, Grace”, sagte er. “Ich kann nicht einfach weggehen, bevor … wir mehr wissen.”
“Oh. Das wusste ich nicht.”
“Niemand weiß davon, nur die Familie.”
“Das tut mir leid”, flüsterte sie.
Der Ventilator über ihnen drehte sich langsam. “Meine Mom glaubt fest daran, dass er es schaffen wird.”
Sie gab ihm einen Kuss. “Deine Mom? Und was denkst
du?”
“Ich weiß es nicht. Ich hoffe nur, sie hat recht.”
“Das hoffe ich auch. Für dich. Und für Teddy und Heath.”
Kennedy stellte sich vor, wie die nächsten Monate wohl werden würden. “Das bedeutet natürlich, dass wir eine ganze Weile noch hierbleiben müssen. Wärst du damit denn auch einverstanden?”
Sie nickte, sagte aber nichts weiter, um diese Zustimmung nicht zu relativieren. Dann legte sie den Kopf an seine Schulter.
“Grace?”
“Hm?”
“Was ist mit deinem Job?”
“Damit muss ich wohl aufhören.”
Er roch ihr Parfüm und spürte ihre glatte Haut. “Wirst du das nicht bereuen?”
“Nein. Ich kann doch immer wieder anfangen, wenn die Kinder älter geworden sind. Auch wenn ich nicht sofort ein Baby kriege, möchte ich doch für Teddy und Heath da sein. Sie sind mir wichtiger als jeder Job.”
Sie war das fehlende Puzzleteil, das seine Familie komplett machte. Es war kaum zu glauben, dass er so viel Glück hatte.
Er drehte sich zu ihr hin, um sie ein weiteres Mal zu lieben. Er küsste sie lang und intensiv und vergrub sein Gesicht in ihren langen Haaren. “Die nächsten Monate werden nicht leicht werden”, sagte er leise. “Aber du wirst zu mir halten, nicht wahr? Du wirst uns doch nicht fallen lassen, egal, was passiert?”
“Ich werde immer zu euch halten”, versprach sie. “Egal, was ich dafür tun muss.”
Oberflächlich betrachtet war er mit dieser Antwort zufrieden, denn es war das, was er hören wollte. Aber sie hatte es mit einer grimmigen Entschlossenheit von sich gegeben, die ihn verwunderte. Er würde sie später noch einmal danach fragen. Aber kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, war er auch schon aus seinem Gedächtnis verschwunden. Als Grace die Augen schloss und sich seinen Liebkosungen hingab, wurde alles andere unwichtig.
Sie gehörte jetzt zu ihm. Das war alles, was zählte.
Hoffte er.
Grace schloss die Tür ihres Wagens auf und setzte sich hinein. Durch die Fenster hindurch blickte sie auf die nächtliche Landschaft, die sich ringsum ausbreitete. In den letzten paar Stunden hatte sich ihr Leben völlig verändert.
Alles
hatte sich geändert. Und gleichzeitig hatte sich gar nichts geändert. Sie würde Kennedy Archer heiraten. Sie wollten eine Familie gründen. Aber dass sie ihn liebte, barg für ihn und seine Kinder immer noch ein Risiko. Joe und die Vincellis und auch Madeline suchten immer noch nach der Wahrheit. Der Reverend war noch immer tot und lag in einem nicht sehr tiefen Grab auf der
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